Ein Beginn

 

Es war entgegen normaler Gepflogenheiten ein recht kalter und nasser Tag, einer jener Tage, die hier recht selten auftraten, normal waren es doch eher warme und sonnige Tage.
Also so richtig ein guter Tag um die Weinkrüge zu prüfen und die neuen Fässer zu testen.
"Hat eigentlich schon jemand diese... wie heißt sie doch gleich?"
"Meint ihr Reesa?" fragte Feach.
"Ja genau so hieß sie, Reesa, klingt ein wenig nach einer neuen Rebsorte. Tiefroter, dunkler, schwerer Wein."
Von den Gedanken in seiner vorhergehenden Frage abgelenkt, schwelgte Arkan schon gedanklich in Weingenüssen. Wurde aber zu seinem Unmut schnell unterbrochen.
"Was wolltet ihr genau wissen?"
"Ähm was? Wissen? Wie was wollte ich wissen? Ach ja, genau - ob schon jemand diese Reesa gesehen hat, geschweige denn Näheres weiß, wer sie ist."
Doch alle Anwesenden schüttelten den Kopf, niemand hatte sie gesehen. Niemand konnte Auskunft geben.
Tatsache war, Reesa war geladen worden bei Hofe zu erscheinen und bisher nicht erschienen.
"Ja was zum..."
Nicht näher ausgeführte Schimpfworte vor sich hin grummelnd, stapfte Arkan durch den Saal.
"Da bestellt man jemanden ein und dieser erscheint nicht, das fängt ja gut an."
"Warum haben wir eigentlich eine Wache mehr vor der Tür?", fragte Fiacha unvermittelt. Seit einigen Tagen war ihr aufgefallen, dass eine zusätzliche Wache gegenüber der Tür zum Saal stand, egal um welche Zeit sie daran vorbei ging. Das Gesicht hatte sie nicht erkennen können, da eine Kapuze dieses verdeckte, außerdem sonderlich wie es war, hatte sie das nur unbewusst aufgenommen und schnell wieder vergessen.
Verwundert zog Feach eine Augenbraue hoch.
"Zusätzliche Wache, davon weiß ich nichts, das habe ich nicht angeordnet... "
"Schaut mich nicht an," brummelte Arkan, "ich war es genau so wenig."
Alle sahen sich überrascht an und strebten wie auf ein Kommando der Tür entgegen. Feach erreichte sie als Erster, öffnete sie und streckte seinen Kopf hinaus. Tatsache, der Tür gegenüber stand an der Wand eine Gestalt in einem langen braunen Kapuzenmantel.
Die Kapuze war bis über den Kopf gezogen und ließ einen dunklen Schatten auf das Gesicht fallen. Eine Waffe jedoch schien er oder sie nicht bei sich zu haben.
Mit wenigen großen Schritten trat Feach auf sie zu und zog mit einem Ruck die Kapuze herunter. Zum Vorschein kamen zwei blaue Augen und das blasse Gesicht einer jungen Frau.
"Reesa, wo habt ihr so lange gesteckt, ihr werdet erwartet."
Verwirrt schaute die Frau zu Feach auf.
"Ja das ist mir bewusst, aber die Wachen sagten ich solle warten, bis ich aufgerufen werde. Nun stehe ich hier seit drei Tagen und warte."
Alle sahen nun Antwort erwartend die Wachen an, doch diese hatten dazu nichts zu sagen, außer dass sie davon gar nichts wussten, sie hätten die Schicht auch erst übernommen und sich nichts weiter gedacht dabei, dass gegenüber der Tür jemand stand. Ehrlich gesagt, hatten sie auch schnell vergessen, dass dort jemand war.
"Ach natürlich, wie dumm von mir."
Mit diesem Ausruf schlug Reesa sich vor die Stirn.
"Es ist in der Tat meine eigene Schuld. Ich habe die Angewohnheit wenn ich irgendwo untätig bin, mich unauffällig zu machen und meine Umgebung zu beobachten. Da ist es leicht, mich zu vergessen. Verzeiht mir dieses ungebührliche Verhalten."
Ein tiefer Knicks und gesenkter Blick begleiteten diese Worte.

Endlich, nachdem die Vermisste nun auf solcherlei Weise aufgefunden worden war, konnten der geplante Ablauf weitergehen.
Klagen wurden vorgetragen, Berichte erstattet, Anordnungen erteilt, mancher Krug guten Weines geleert und letztlich trat nun Reesa vor.
" Ich bin Reesa, man nennt mich die Suchende, da ich vor gut einhundert Jahren die Hügel verlassen habe, um in der Oberwelt meine Berufung und mein Schicksal zu suchen. Doch nachdem ich dieses nicht finden konnte, kehre ich nun zurück und hoffe hier zu finden, was ich nicht zu finden vermochte."

Ende? Oder nur ein Beginn?

 

Ein Beginn
Reesa
Jannine Wächter

 

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Stand:14.07.2015