Feurio !
"Es brennt! Rodnik, dein Haus brennt!" Atemlos hetzte Tiril, die Meierin, auf die Hütte des Schmiedes zu. Es war schon dunkel und sie erkannte deutlich die flackernde Flammenzunge, die am Ried des Daches leckte. Die Tür der Schmiede wurde aufgerissen und Rodnik erschien. Gleichzeitig stürzten Nista, Rodniks Frau, und seine beiden Kinder aus dem Wohnteil des Hauses heraus. Tiril hielt an und wies japsend in Richtung Dach. Nista starrte angstvoll hinauf und sah ... nichts. Unversehrt lag das Dach im Mondlicht und aus dem Schornstein stieg eine dünne Rauchsäule auf.
Sie wendete den Kopf und sah Tiril fragend an. Die schaute zurück und rief: "Es ist in den Schornstein geschlüpft!" Nista verzog das Gesicht und schnaubte. "In den Schornstein ist es geschlüpft, wie?! Was glaubst du eigentlich, was du da tust, Tiril! Du erschreckst mich und meine Kinder zu Tode und wartest dann mit einer so hanebüchenen Geschichte auf. So langsam müssen wir uns wohl überlegen, ob wir bei Dir noch unseren Käse machen lassen!" - "Aber ...!" Tirils Mund stand weit offen und sie schaute hektisch zwischen dem Dach und der ärgerlichen Nista hin und her. Eben war es noch da gewesen und im nächsten Moment war es im Schornstein verschwunden. Jawohl, das hatte sie gesehen, ein kleines Flämmchen, kaum zwei Fuß groß.
Alnik und Kirsta, die beiden Kinder, die sich noch eben dicht an ihre Mutter gedrängt hatten, ließen sie jetzt los und liefen auf Rodnik zu, der immer noch in der offenen Tür der Schmiede stand und ihnen geheimnisvoll zuwinkte. Nista sah ihnen nach, wie sie mit ihrem Vater in dem flachen Gebäude verschwanden und drehte sich dann wieder zu Tiril um. "So, Tiril, jetzt geh' nach Hause , bewache Dein eigenes Dach und trink nicht so viel Branntwein!" Tiril hob noch einmal die Hände, als ob sie sich ein letztes Mal verteidigen wolle, entschied dann jedoch, daß es keine Sinn hätte und trottete mit hängenden Schultern davon.
Nista schüttelte den Kopf und sah nochmal prüfend zum Dach hinauf. Aber es war nichts zu sehen, nur die Rauchsäule war etwas kräftiger geworden und ein rotes Leuchten färbte sie gegen den schwarzen Nachthimmel.
Nista wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab, die noch voller Mehl waren. Tiril hatte sie beim Brotbacken gestört. Nachdenklich ging sie ins Haus; langsam würde man auf Tiril aufpassen müssen.
Rodnik hatte die Kinder in die Schmiede gewunken. Immer wenn Papa so geheimnisvoll tat, würde etwas Spannendes passieren.
Er wußte sehr wohl was das Leuchten auf dem Dach bedeutete. Lange schon hatte er es erwartet, und nicht nur er.
Alnik und Kirsta drängten sich am Vater vorbei in die Schmiede und Rodnik schloß hinter ihnen die Tür. Warm war es drinnen und die Luft hing voller Rauch. Die Flammen des Schmiedefeuers beleuchteten schwach den Raum und spielten mit den Schatten zwischen den Tischen und Werkzeugschränken. Die Flammen loderten jetzt heller, und es schien fast so als wäre Leben in sie gekommen. Es prasselte und knisterte laut, und Funken stieben leuchtend den Kamin hinauf. "Was geschieht denn jetzt, Papa?" rief Kirsta und sah unentwegt zwischen der Esse und ihrem Vater hin und her.
Rodnik drehte sich um und betrachtete seine beiden Kinder.
Alnik, sein Erstgeborener, stand aufrecht und erwartungsvoll da, seine hellen Augen fest auf den Vater gerichtet. Er sagte nichts, aber er sprach niemals viel, gerade das Nötigste. Das und sein zarter Körperbau ließen ihn oft zum Sündenbock seiner Altersgenossen werden. Neun Sommer war er alt und dennoch keinem seiner beiden Eltern eine Hilfe. Nista schützte ihren kleinen Träumer wo sie nur konnte und Rodnik hätte sich lieber die Hand verbrannt, als ihn unglücklich zu sehen. Das änderte jedoch nichts daran, daß sie sich Sorgen machten. Was sollte bloß aus ihm werden, wie würde er einmal eine Familie ernähren können. Vor zwei Monden hatte sich das Problem plötzlich erledigt. Alnik war mit eine Mann nach Hause gekommen, der sich als Filidan vorgestellt und nach Rodniks Empfinden auch so ausgesehen hatte. Er war leicht gebaut gewesen, groß und schlank, und seine Bewegungen waren von elfenhafter Grazie. Mit seinem blonden Haar und der leuchtend blauen Kleidung paßte er überhaupt nicht in die einfache Hütte des Dorfschmiedes.
Er sei ein Barde, hatte er verkündet und er wolle, wenn sie einverstanden seien, den jungen Herrn Alnik auch zu einem solchen ausbilden. Nista und Rodnik hatten schwer geschluckt. Ein Barde sollte ihr Sohn werden, ein Herumtreiber, der seine Kunst auf Jahrmärkten verkaufte und im Winter reichen Herren auf der Tasche lag ?
Als sie zögerten, setzte Filidan sich auf einen Schemel, nahm seine Harfe zur Hand und begann zu spielen. Hell und rein erklangen die Töne und verwandelten die stickige Luft in dem Wohnraum in klaren Frühlingshauch. Fast glaubten die Schmiedsleute Blumen und frisches Gras zu riechen und den Wind von den Hügeln im Gesicht zu spüren. Bald darauf wurden die Töne reicher, die Melodie üppiger, wie ein heißer Sommertag. Schläfrigkeit erfaßte die Hörer und sie meinten die träge Luft eines warmen Nachmittags auf sich lasten zu spüren. Doch die Melodie wurde wieder rascher, ein stürmischer Wind kam auf, er pfiff durch die reifen Felder und riß die ersten Blätter von den Bäumen. Es roch nach Waldboden und frischen Beeren und nach Nistas Pflaumenkuchen. Den Klängen folgend erwarteten die Schmiedsleute jetzt den Winter. Noch während Filidans Hände über die Saiten glitten nickte er Alnik zu und der Junge ging von seinen Eltern zu dem Barden hinüber. Das Harfenspiel wurde wilder, wüste Stürme fegten durch die Vorstellungen seines Publikums, um dann in das sanfte Niederfallen der ersten Schneeflocken zu münden. Hier gab Filidan Alnik wieder ein Zeichen und dieser begann nun zu singen. Von den schneebedeckten Hügeln sang er, von dunklen frostigen Nächten und von hellen Sonnenstrahlen, die den Schnee wie einen Teppich aus Edelsteinen glitzern ließen. Seine Stimme war wie das Aneinanderstoßen von makellosen Eiskristallen und beschwor den blauen Winterhimmel herauf, der bei Einbruch der Nacht die Sterne zeigt. Hier verlor sie sich in der Endlosigkeit der Dunkelheit und ließ in den Herzen der Zuhörer eine brennende Sehnsucht zurück.
Als die beiden geendet hatten, war einen lange Zeit Stille in der Schmiede. Das Feuer knisterte im Kamin und es roch nach Rauch, Äpfeln und gealtertem Holz.
Alnik zitterte am ganzen Leibe. Dieser Abend würde die Entscheidung über sein ganzes weiteres Leben bringen. Würden die Eltern ihn gehen lassen? Papa sah so verschlossen aus, er wird es bestimmt verbieten. Alniks Herz sank. Seine Augen waren weit aufgerissen, ängstlich und doch begierig, jede Regung seines Vaters zu deuten.
Rodnik erwachte wie aus einem Traum. Er war nie besonders musikalisch gewesen, obwohl er das Klingen seines Ambosses auch immer als Musik bezeichnete. Das, was er eben aber gehört hatte, war wundervoll gewesen. Niemals hatte er geglaubt, daß sein Sohn ein solches Talent besaß. Stolz und immer noch voller Verwunderung richtete er seinen Blick auf Alnik. Bittend waren seine Augen, flehend blickten sie den Vater und die Mutter an, aber gleichzeitig stand eine ungeahnte Stärke in ihnen, die nur darauf wartete, sich dem Verbot der Eltern widersetzen und Alnik mit Filidan fortzunehmen.
Aber Rodnik dachte gar nicht daran, seinem Sohn im Wege zu stehen. Er wandte seinen Kopf leicht zu Nista hin und spürte, wie sie seine Hand griff und sie kurz und kräftig drückte. Er wußte was das hieß. "Sag' Ja", gab sie ihm zu verstehen, und: "Wag' es bloß nicht zu widersprechen!"
Nista focht mit sich einen schweren Kampf. Was wollte sie mehr, ihren kleinen Jungen unglücklich machen und bei sich behalten, oder ihn fortgehen zu lassen und ihn glücklich zu sehen? Aber sein Talent sollte nicht in dieser kleinen Siedlung vor sich hinschlummern und niemals ans Tageslicht kommen, gleich einem Kristall, tief in einem verlassenen Berg. Fest drückte sie Rodniks Hand, sie hatte sich entschieden. Ihr kleiner Träumer war flügge geworden.
Rodnik stand auf und streckte eine Hand zu Alnik aus. "Komm her, Sohn!" sagte er, und es klang strenger, als er es eigentlich gewollt hatte.
Alnik stand wie betäubt da, nur der sanfte Stoß, den ihm Filidan versetzte, ließ ihn auf seinen Vater zustolpern. Rodnik fing ihn auf und erlaubte sich endlich das breite Lachen, das schon so lange darauf wartete sein Gesicht zu stürmen. Er hob Alnik hoch, drehte ihn zum Licht des Kaminfeuers und sagte: "Endlich wissen wir, zu was unser Junge geboren ist!"
Filidan hatte versprochen, Alnik im Herbst abzuholen und ihn über den Winter die Kunst der Musik zu lehren. Als Unterpfand seines Versprechens ließ er seine Harfe bei den Schmiedsleuten und zog allein mit seiner Laute davon.
Kirsta
Nun, da stand er also, sein Erstgeborener. Diese Nacht aber sollte Kirstas sein.
Rodnik sah nun seine Tochter an. Sieben Sommer zählte sie und war doch schon fast so kräftig wie ihr Bruder. Ihr sonst kastanienbraunes Haar war schwarz vom Rauch der Esse. Zerzaust, wirr und unregelmäßig lang sah es aus, als wenn ein kleines Stachelschwein sich auf Kirstas Kopf niedergelassen hätte. Ständig verkohlte sie sich die Spitzen im Schmiedefeuer und Nista hatte viel Mühe, sie zumindest an Feiertagen einigermaßen ordentlich aussehen zu lassen. Seit sie alleine laufen konnte war sie Rodnik in die Schmiede gefolgt, war ihm zwischen den Füßen herumgestolpert und hatte unzählige blaue Flecken und Verbrennungen erlitten. Dennoch liebte sie die Schmiede über alles und Rodnik hatte sich inzwischen mit dem Gedanken bekanntgemacht, daß seine Tochter einmal sein Handwerk übernehmen würde.
"Papa," hatte sie einmal gesagt, als sie zusammen beobachteten, wie nach getanem Tagwerk das Feuer langsam erlosch, "Papa, es ist nirgends auf der ganzen Welt so schön, wie bei Dir in der Schmiede." und Rodniks Wangen hatten geglänzt vor Freude und Stolz. Wie so oft schlief sie dann an ihn gelehnt ein und Nista mußte ihr wieder einmal Brot und Milch ans Bett stellen, damit sie, wenn sie nachts vor Hunger erwachte, das Abendessen nachholen konnte.
Kirsta würde eine Schmiedin werden, das war für Rodnik beschlossene Sache. Daß das kein Beruf für eine Frau war und daß sie dadurch zur erklärten Außenseiterin werden würde, kam ihm nicht zu Bewußtsein. Dafür dachte Nista mit Unbehagen daran, welche Widerstände und Schwierigkeiten ihre Tochter würde überwinden müssen, um sich in ihrem geliebten Beruf zu behaupten. Für Rodnik zählte das ja alles nichts ...
...und für Rodnik zählte das wirklich nichts. Heute nacht wollte er seine Tochter in die Geheimnisse des Schmiedefeuers einweihen und ihr zeigen, warum ihr Vater ein so bekannter und berühmter Schmied war. Das kleine Flämmchen auf dem Dach hing damit zusammen.
Hitz
"Alnik, " sagte Rodnik und winkte den Jungen zu sich heran, "nimm die Kohlepfanne und lauf hinüber zum Wirtshaus." Aus der Ecke neben dem Kamin nahm er die Kohlepfanne hervor und gab sie seinem Sohn. "Dort gehst du nach hinten in die Küche und sagst Biekort, dem Wirt, daß Du etwas von seiner Glut holen willst." Rodnik sah ihm in die Augen. "Hast du mich verstanden? Sag es ihm genau so, Du willst von seiner Glut holen!" - " Aber Vater," entgegnete Alnik, "wir haben doch Glut in unserer Esse!" Warum gab ihm der Vater diesen seltsamen Auftrag? Einem Schmied ging niemals die Glut aus. Normalerweise kamen die Leute zu ihm, wenn ihnen einmal das Herdfeuer erloschen war. Wenn dem Schmied das Essefeuer ausging, dann bedeutete das Unglück für das ganze Dorf. Ein alter Spruch sagte: Stirbt in der Esse das Feuer, so folgt auch bald der Schmied.
"Du sollst auch nicht wirklich Glut holen. Es wird etwas anderes sein, das Du mit zurück bringst." Alnik schaute seinen Vater verwundert an, gerade wollte er fragen, was es denn so geheimnisvolles sei, das er mitbringen würde, da sprach der Vater weiter: "Geh' an den Küchenkamin, wo Biekort immer den großen Kessel mit Suppe hängen hat und stell die Pfanne offen ins Feuer, dann sage laut: Rodnik schickt mich, es ist soweit!. Dann wartest du einen Moment, machst die Kohlepfanne zu und kommst schleunigst wieder hierher."
Hatte der Vater den Verstand verloren? Alnik war auf die Anweisung seines Vaters aus der Schmiede gelaufen und hatte den Weg zum Dorfplatz eingeschlagen. Wenn Rodnik in diesem Ton mit ihm sprach, war es besser, zu tun, was er verlangte. Er hatte diesen wichtigen Ausdruck auf dem Gesicht gehabt, der keinen Widerspruch duldete. Was würde nur der Wirt sagen, wenn er ihm erzählte, daß er für seinen Vater Glut aus seinem Kamin holen wollte?!
Die Kohlepfanne war schwer, wie schwer würde sie erst sein, wenn er damit zurückkäme. Alnik grübelte und spekulierte den ganzen Weg bis hinunter zum Dorfplatz. Einen Moment stand er zögernd vor dem Wirtshaus und ging dann hinein. Drinnen war es voll und laut, ein Wagentreck war bei Einbruch der Dunkelheit angekommen und einige von dessen Troß saßen hier im Blauen Hügel und unterhielten sich mit den Dorfbewohnern. Ein paar Wortfetzen fing Alnik auf: "... schon lange unterwegs ...", " ... suchen unsere Stadt..." und " ... der Hügelprinz ... Kim zur Stadtherrin gemacht... " Der Hügelprinz, dachte Alnik, wer glaubt denn an sowas! Entweder diese Leute waren total verrückt oder sie zogen irgendein Spektakel ab, für das dies hier die Vorbereitung war. Er zwängte sich zwischen den vielen Menschen hindurch und zog die schwere und sperrige Kohlepfanne hinter sich her. Plötzlich wurde seine Last so leicht. Erschrocken drehte er sich um, sah aber, daß er den Stiel immer noch in der Hand hielt. Der gewichtige Topf ruhte jedoch in der Hand eines ???...??? Was war das? Alnik hätte beinahe laut aufgeschrien. Die Person, der er sich jetzt Aug' in Auge gegenüber stand, war etwas kleiner als er, trug jedoch unverkennbar die Kleidung eines Schmiedes und außerdem einen dichten grauen Bart, der in seinen Gürtel gesteckt war. Mit einer Hand hielt er die Pfanne, die andere hatte er ebenfalls in den Gürtel gesteckt. Der Junge machte den Mund auf und gleich wieder zu. Jegliche Worte waren ihm im Halse stecken geblieben. Dafür war der Zwerg, denn ein solcher war sein Gegenüber, durchaus fähig etwas zu sagen. Erst sah er freundlich aus und setzte an, etwas Nettes zu sagen, dann aber schien er sich zu besinnen, legte ein verschmitztes Grinsen auf und hauchte heiser :" Buuh!"
Alnik drehte sich auf dem Absatz um, betete darum, das Wesen möge die Pfanne loslassen und flitzte wie vom Schattenlord gehetzt durch den Schankraum in die Küche.
Dort rannte er blindlings gegen den mächtigen Leib von Biekort, dem Wirt. "Hohoo," rief der laut aus, "der Sohn unseres Schmiedes hat ein Attentat auf den Schankwirt verübt. Kindchen, meinst Du nicht, die Kohlepfanne ist ein zu großes Kaliber?" Biekort lachte herzlich, "Wo Du doch weißt, daß Du mich mit Deinem schönen Stimmchen um den Finger wickeln kannst!" Seine rotes Gesicht schaute auf Alnik herab, der verlegen und noch immer außer Atem vor ihm stand.
Der Wirt war bester Laune, das Gasthaus war voll, die Menschen tranken und es war allerlei seltsames Volk in seiner Gaststube, das mancherlei fremde Geschichten erzählen konnte. Der Wirt des Wagenzuges war bei ihm gewesen, um seine Vorräte aufzufüllen und er hatte einige seltene Gewürze erstehen können. Außerdem sorgten ein paar hübsche Mädchen aus dem Treck für die richtige Stimmung. "Entschuldigt, Meister Biekort, ich soll ..." Alnik schluckte, jetzt mußte er seinen hanebüchenen Auftrag zum besten geben "... ich soll meinem Vater etwas Glut aus Eurem Kamin bringen." So jetzt war es heraus, er bemühte sich, die Reaktion des Wirtes gleichmütig hinzunehmen. Wahrscheinlich hätte ihm das auch keine Probleme bereitet, aber die Antwort Biekorts kam mehr als unerwartet. "So, hmm..." und dann erstrahlte sein Gesicht plötzlich heller als es eine zum Bersten gefüllte Kneipe je verursachen könnte, "dann ist es also soweit!" Alnik schaute dümmlicher drein, als es eine Kuh könnte und sagte : "...?..." , nämlich nichts.
Biekort trat zur Seite. "Dann geh, mein Junge," sagte er, "und laß Dich nicht aufhalten." Noch immer ungläubig starrend ging Alnik an ihm vorbei in die Küche. 'Jetzt versteh ich gar nichts mehr.' dachte er, als er die Kohlepfanne auf den Rand des Kamins hob, ' erst Vater, dann Biekort, irgendetwas halten sie geheim.' Er sollte im nächsten Moment wissen, was es war.
Was hatte der Vater gesagt, er sollte laut und deutlich einen Satz sprechen. Alnik drehte sich vorsichtig um, es sollte ihn bloß niemand sehen, wenn er hier stand und mit dem Feuer sprach. Vor allen Dingen keiner von diesen vorlauten Küchenjungen. Sie würden ihn bis in alle Ewigkeit hänseln. Dann sah er ins Feuer, verdrehte die Augen und sprach, wie ihm aufgetragen: " Rodnik schickt mich, es ist soweit!"
Er hatte kaum ausgesprochen, da loderte das Feuer hell auf. Hitze stieß plötzlich aus dem Kamin. Das Holz prasselte und knisterte, eine Stichflamme fuhr in die Kohlepfanne und blieb darin ...sitzen!?
"Rodnik schickt mich, es ist soweit!" Wer war das? Wer hatte das gesagt? Hitz hielt inne wie der Teufel um den Boden des Kessels herumzuwirbeln. Angestrengt spähte sie hinaus in den Küchenraum. Ihr Herz hüpfte vor Freude. Egal wer das gesagt hatte, es war soweit. So lange hatte sie schon gewartet! Ob es heute mit dem Treck zusammenhing? Am Rand des Kamins sah sie die Kohlepfanne stehen und dahinter einen Jungen. Das mußte der Sohn des Schmiedes sein, und er hatte ihr auch die Nachricht überbracht! Juchuuuh! Endlich war es soweit! In einem Funkenregen fuhr sie in die bereitgestellte Kohlepfanne. Hoffentlich beeilte sich der Junge.
Aber der Junge beeilte sich erstmal gar nicht. Er starrte entgeistert auf die Kohlepfanne und ließ seinen Kiefer herunterklappen. Im schwarzen Boden des eisernen Behältnisses saß ein Wesen aus Feuer. Es leuchtete hell wie eine Fackel, versprühte Funken und war heiß wie Vaters Esse. Aus seinen Kohlenaugen schaute es ihn erwartungsvoll an. Hatte er nicht eben noch gedacht, der Hügelprinz sei ein Märchen? Na, wenn der ein Märchen war, was mochte das dann erst sein? Das Feuerwesen rutschte unruhig hin und her, zappelte herum und verzog das Gesichtchen zu einer ärgerlichen Grimasse. Alnik schüttelte den Kopf, so etwas konnte nicht wahr sein. Zögerlich sah er sich um. Hoffentlich hatte ihn keiner der Küchenjungen gesehen. Aber die waren viel zu beschäftigt mit dem Essen für den halben Treck. "Worauf wartest Du denn noch?" zischte eine Stimme vor ihm. Alnik schaute erschrocken in die Kohlepfanne zurück. Das Wesen sah ihn an, zog eine Augenbraue hoch (hatte es überhaupt eine?) und machte "Hmmmm?" . "Jaja, sofort!" sagte er schnell und ließ den Deckel der Pfanne herunterklappen. "Auuu!", das Wesen schien davon nicht besonders erbaut zu sein. "Was machst du denn da?" fauchte es aus dem eisernen Tiegel hervor. "Ent... entschuldigung!" stammelte Alnik und huschte aus der Hintertür der Küche hinaus in die Nacht. Er hielt den Tiegel weit von sich und fand, daß der Weg nach Hause viel weiter war als sonst.
In dem Tiegel purzelte Hitz hin und her und kam kaum zu Atem, um sich bei dem unaufmerksamen Jungen zu beschweren. Wie kam er dazu, mit ihr so zu rennen? Es schien fast so, als hätte ihm niemand gesagt, was für eine Fracht er transportieren sollte. Sei's drum, sie würde ankommen und ihr lang gehegter Traum würde sich erfüllen. Wie lange hatten sie schon auf einen Zünder gewartet, und nun war er endlich gekommen! Ob er mit dem Treck gekommen war? Ohh, schon wieder war der Junge gestolpert und Hitz hatte viel Mühe, sich in der Kohlepfanne festzuhalten, hoffentlich war diese Höllenjagd bald vorbei.
Plötzlich wurde es weniger turbulent und sie hörte die ruhige Stimme des Schmiedes sagen: "Junge, bist du etwa den ganzen Weg so gerannt? Da ist ja unserem Gast ganz schwindelig geworden!" "Vater," stieß Alnik außer Atem hervor, "da ist ein Mäännlein aus Feuer in die Kohlepfanne gesprungen, und... , Vater... ," keuchte er," es hat mit mir gesprochen !"
" Jaaa," sagte der Schmied gedehnt, " dann hast Du sie also mitgebracht, ich danke Dir!" Sprachs, nahm ihm den Tiegel aus der Hand und strich ihm über den Kopf.
Alnik sah zum zweiten Mal an diesem Tag ziemlich verdattert drein. Immer noch verstand er kein Wort und Vater tat so selbstverständlich und geheimnisvoll. Als hätte Rodnik die Gedanken seines Sohnes gelesen sagte er, während er sich umdrehte: "Du verstehst kein Wort, nicht wahr?" Alnik schluckte," Nein, Vater! Was hat das alles auf sich, mit dem Kamin des Wirtes, der alten Kohlepfanne und diesem seltsamen kleinen Wesen?" hoffentlich bekäme er jetzt eine Erklärung für diesen ganzen Unsinn.
"Es geschieht für Kirsta," sagte Rodnik, während er die Pfanne vorsichtig auf den Rand des Kamins stellte, "sie soll heute nacht ihre Bestimmung finden." Er lächelte vor sich hin : "Du darfst dabeisein, und ich verspreche Dir, Du wirst etwas ganz besonderes sehen, etwas, das selbst ich noch niemals zu Gesicht bekam; etwas, das so selten und wunderbar ist, daß sogar die Märchen davon berichten." Alnik staunte und rätselte gleichzeitig, was das sein könnte. "Geh' und hol' Deine Schwester," rief Rodnik ihm über die Schulter zu," wir wollen beginnen."
Zündel
Es war warm und dunkel in der Schmiede. Die einzige Lichtquelle, das Schmiedefeuer, überließ den größten Teil des Raumes den Schatten. Murmelnd zogen sie sich in den Ecken und Winkeln, hinter dem Amboß und bei der Türe zusammen und wogten mit den tanzenden Flammen auf und ab. Rodnik saß auf einem Schemel vor der Esse und starrte ins Feuer. Die Tür zum Wohnraum öffnete sich und ließ einen Strahl Kerzenlicht hinein. Vor dem Licht stand wie ein Schatten Kirsta. Ehrfürchtig und zaghaft trat sie in die Schmiede, ihre Augen waren groß und voll Erwartung. Hinter ihr trat Alnik herein und schloß die Tür. Stille lag im Raum wie ein großes mächtiges Tier, das niemand zu stören wagte und Rodnik drehte sich so langsam um, als könne allein die Bewegung es schon aus dem Schlafe reißen. Er sah Kirsta an und sein Blick verriet, daß auch er etwas erwartete, das großartig und voller Wunder war.
Dann schluckte er und räusperte sich: "Kirsta, komm her, Du hast Besuch." Das Mädchen lief auf ihn zu und nahm seine Hand." Wer ist es, Papa? ", fragte sie und schaute zum Feuer, wo noch immer die Kohlepfanne stand. "Schau!", sagte Rodnik leise und wies zur Esse.
Kirsta starrte in die Flammen. Sie flackerten lustig und sie fand, daß das ein gutes Schmiedefeuer sei. Je länger sie jedoch hineinschaute, desto mehr meinte sie, Figuren darin zu erkennen. Ja, beinahe sah es aus, als tanzten und herzten sich darin zwei kleine Gestalten. Eines schaute zu ihr hin, und als ob es sie jetzt erst zu bemerken schien und hielt ihren Blick fest. Seine Augen waren wie glühende Kohlen, äußerlich schwarz mit leuchtendem Innern. Freundlich waren diese Augen, als würden sie lachen und jetzt verzog sich auch der kleine Mund zu einem zahnlosen Grinsen.
Kirsta war wie in Trance. Eine völlig neue Welt hatte sich ihr geöffnet, in der es Wesen gab, die ganz aus Feuer bestanden und darin tanzten. Eine Welt, die selbst die Märchen und Sagen nur unvollkommen beschreiben konnten und die alles übertraf, was sie sich bis jetzt vorgestellt hatte.
Ein leises Scheppern holte sie in die Wirklichkeit zurück. Der Deckel des Tiegels schob sich langsam auf und irgendetwas ächzte und schnaufte in großer Anstrengung. Es zischte und knackte, und eine seltsame Stimme rief ärgerlich: " Zuerst dieser höllische Galopp hierher und jetzt sperrt man mich auch noch ein, das ist vielleicht eine schöne Gastfreundschaft !" Kirstas Kinnlade fiel herunter. Aus dem schmalen Spalt zwischen Deckel und Pfanne züngelte eine kleine Flamme hervor, die immer größer wurde, bis sie in ihr ebenfalls ein kleines Feuermännchen erkannte. Es war etwas größer als einen Fuß und sah tatsächlich aus wie eine lebende Fackel. Seine Stimme klang seltsam, so als käme sie aus weiter Ferne und würde nur zufällig vorbeigeweht, dabei war sie unruhig, schwoll an und ab, wie die züngelnden Flammen im Kamin. "Seid nicht erzürnt, verehrte Hitz," sagte jetzt Rodnik, " mein Junge wußte nicht, wer ihm anvertraut war. Aber seht in den Kamin, Euer lang ersehnter Gast ist bereits angekommen."
Die Flammen im Kamin hatten aufgehört wie toll zu tanzen. Kirsta erkannte jetzt ganz deutlich die beiden Feuerwesen, die darin standen und dasjenige welches ihr Vater mit Hitz angeredet hatte, anschauten. Sie traten an den Rand der Esse und Hitz sah sich nach ihnen um. Eines der beiden stellte sich neben Hitz und wies auf den Schmied und seine Tochter, die wie gebannt auf sie starrten." Vielleicht solltest Du, bevor du ein solches Theater machst, erstmal Meister Rodnik begrüßen, meine Liebe." Hitz holte schnell Luft, als wollte sie etwas Heftiges erwidern, besann sich dann jedoch und machte eine Verbeugung zu Kirsta und Rodnik. "Seid mir gegrüßt, Meister Rodnik. Ich nehme an, das dort neben Euch ist Eure Tochter, die einmal Eure Nachfolge antreten soll." Sie wandte sich Kirsta zu:" Seid mir willkommen, junge Schmiedin." Kirsta trat einen Schritt vor und verbeugte sich ebenfalls. Sie war viel zu erstaunt, um etwas zu sagen. "Dann will ich Dir unseren Gast vorstellen." sagte das zweite Wesen. Beide drehten sich zu dem dritten Flämmchen um, das bisher still gewartet hatte. "Das ist Zündel, sie ist heute Nachmittag in den Kamin gefahren und kommt direkt von der Geisterinsel." Zündel verbeugte sich höflich und grinste, dann nahm es die beiden anderen bei den glühenden Händen, wies mit dem Kopf Richtung Feuer und sprang sie nach sich ziehend hinein.
Jetzt konnte Kirsta ihre Neugier nicht länger zurückhalten," Papa, wer ist das, was machen sie im Kamin und wo kommen sie so plötzlich her?", die Fragen sprudelten nur so aus ihr heraus.
"Langsam, Töchterchen, langsam," antwortete Rodnik, "setz Dich zu mir, und ich werde Dir alles erklären. Alnik, nimm dir einen Schemel und setz Dich auch dazu." Er zog Kirsta auf seinen Schoß, legte seinen Arm um Alnik und sah ins Feuer, wo die drei Gestalten wirbelten und prasselten.
Feuerkobolde
"Vor vielen Jahren, als ich gerade meine Lehre als Schmied beendet hatte, traf ich Eure Mutter in eben diesem Dorf auf dem Heimweg vom Fluß, wo sie Wäsche gewaschen hatte. Ich war auf der Suche nach einem Ort, an dem ich mich niederlassen könnte und wo die Leute noch einen Schmied brauchten. Als ich den Weg vom Nachbardorf herunterkam, sah ich eine junge Frau am Wegesrand stehen und in die Büsche starren. Ich ging leise näher, denn ich dachte sie beobachte wohl ein Schäferstündchen. Ich wollte sie tüchtig erschrecken, damit sie dies in Zukunft nicht mehr täte. Als ich bis auf ein paar Schritte heran war, hörte ich sie jedoch verhalten wispern. Sie flüsterte von Dank für das Wildbret und daß sie ganz bestimmt mit dem Köhler sprechen werde. Dann raschelte es plötzlich und sie drehte sich schnell um. Ich muß sehr seltsam ausgesehen haben, wie ich so in meiner schleichenden Haltung erstarrte. Jedenfalls verwandelte sich ihr Entsetzen in Belustigung und ihre Augen strahlten, als sie lachte. Nun, es war Nista, und ich hatte mich sofort Hals über Kopf verliebt. Ich warb um sie, wir heirateten und ich übernahm die Schmiede des Dorfes, die seit einem Jahr verwaist war. Dann bekamen wir zwei mißratene Kinder und ...auh!" Rodnik zuckte lachend zurück, als Kirsta ihn in die Seite knuffte. "Papa, das ist doch nicht wahr, Alnik und ich haben immer..." - "Ich weiß doch, Kind." sagte Rodnik, "Es war nur ein Spaß, aber jetzt hört weiter: Es war im ersten Frühling, den wir in der Schmiede verbrachten, Nista war guter Hoffnung," er warf einen Seitenblick auf Alnik, " als ich etwas Merkwürdiges entdeckte. Seit Tagen schon war mir die Glut über Nacht nicht ausgegangen. Jeden Morgen kam ich in die Schmiede und fand glühende Kohlen vor. Als ich mich laut darüber verwunderte, hörte ich plötzlich eine seltsame Stimme aus dem Kamin, die sagte, es sei doch nichts besonderes, schließlich schlafe er die ganze Nacht darin. Verblüfft fuhr ich herum und am Rande des Kamins saß ein kleines Kerlchen, ganz aus Feuer und rieb sich die Augen. Es ist ein Feuerkobold gewesen, Kirsta, ein Naturgeist, der ganz aus Feuer besteht. Sein Name ist Rotglüh, und er sagte, man habe ihm zugetragen, daß hier ein Schmied sei, der seine Hilfe gut gebrauchen könnte. Ich war sehr unhöflich, ließ ihn stehen und rannte in die Küche, um Nista zu holen. Als sie in die Schmiede kam war sie keineswegs erstaunt, sondern ging zum Kamin und sagte, 'Seid willkommen, Rotglüh Feuerkobold, wie ich sehe habt ihr meine Nachricht erhalten.' Ich war, wie ihr euch vorstellen könnt, vollkommen aus dem Häuschen. Aber Nista lächelte nur unergründlich. Niemals hat sie mir erzählt, woher sie von Rotglühs Ankunft wußte. Ich vermute nur, daß sie Kontakte zu den Geistern der Natur pflegt. Jedenfalls gewöhnten sich Rotglüh und ich aneinander und wir wurden Freunde. Er hilft mir bei meiner Arbeit, weil er das Feuer genau so beherrschen kann, wie wir es zum Schmieden brauchen, und das ist auch der Grund, warum die Leute von weit her zu mir kommen um meine Kunst in Anspruch zu nehmen. Aber Rotglüh ist nicht nur ein Herr des Feuers, er ist auch ein rechter Freund und Ratgeber. Mit ihm zog das Glück in unsere Schmiede." Rodnik schaute wieder ins Feuer, wo die Kobolde jetzt langsamer tanzten. Er griff neben den Kamin und legte zwei große Holzstücke hinein, über die sich die drei Gestalten sofort hermachten.
"Papa," fragte Kirsta jetzt, "warum sind denn jetzt aber drei von ihnen da, und wo kommen die beiden anderen her?"
" Hitz ist der Feuerkobold aus dem Wirtshaus," antwortete Rodnik, " er hilft Biekort in der Küche; seine Kunst ist es, für die Speisen die richtige Temperatur zu halten. Seit sie da ist, ist Biekort niemals wieder etwas angebrannt."
" Für so eine Hilfe wäre ich auch manchmal dankbar!" seufzte es von der Tür her. Nista war hereingetreten und gesellte sich zu Rodnik und den beiden Kindern. Sie legte ihre Arme um seinen Hals und flüsterte: "Du solltest beginnen, ehe sie sich müde getobt haben!"
"Du hast recht." der Schmied stand auf, "Kirsta, hol Deinen Feuerstein, Du weißt doch, den, den Du letzten Sommer in den Hügeln gefunden hast!" Das kleine Mädchen sprang auf und rannte in den Wohnraum, kletterte die Leiter hinauf zum Dachboden und zog unter seiner Bettstatt ein Säckchen hervor. Der Vater hatte damals gesagt, sie solle den Stein gut aufheben, es könnte einmal ihr Glück sein. Nach kurzer Zeit stürmte sie wieder in die Schmiede.
Rodnik nahm sie bei der Hand und zog sie zu sich an den Rand der Esse, während Nista sich mit Alnik in die Schatten des großen Raumes zurückzog, um zuzusehen was jetzt geschah.
Schmelze
Der Schmied schob Kirsta an die Esse. Schwarz malte sich sein Schatten vor dem hellen Feuer ab. Es war wieder still geworden, ganz still. Kirsta fühlte, wie sich ihr Gesicht vom Feuer erhitzte, dem Feuer, das sie so liebte und dessen Kraft sie verehrte. Wie gerne würde sie eine Schmiedin sein und mit dem Feuer arbeiten so wie ihr Vater. Das helle Klingen des Hammers auf dem Amboß, die Formbarkeit des glühenden Metalls und die Hitze, die immer bei der Arbeit herrschte waren wunderbar für sie. Wie oft hatte Kirsta das Schicksal verflucht, das sie hatte zu einem Mädchen werden lassen. Immer war sie sich bewußt gewesen, daß ihre Tage in der Schmiede gezählt waren. Irgendwann, so dachte sie, würde ein Mann kommen, den sie vielleicht sogar lieben würde, und alles, was ihr am Herzen lag, würde ihr genommen. Vor ihrem inneren Auge hatte sie sich an einem Herdfeuer stehen und davon träumen sehen, ein Schwert oder ein Pflug lägen darin, die rot glühten und darauf warteten, daß sie ihnen ihre vollendete Form gab.
Sie starrte in die Flammen und bemühte sich, die kleinen Wesen darin zu erkennen. In die Stille hörte sie Rodniks tiefe Stimme sagen: "Nimm den Stein aus dem Beutel!" Kirsta tat wie ihr geheißen. Es war ein seltsamer Abend, fast so seltsam wie damals, als Filidan zu ihnen gekommen war, oder vielleicht noch etwas seltsamer. Rodnik legte seine Hände auf Kirstas Schultern, "Hab keine Angst!" sagte er. "Wir haben entschieden, daß Du, Deinem Talent und Deinem Können folgend, eine Schmiedin werden sollst." Kirstas Augen weiteten sich und ihr Herz blieb beinahe stehen. Niemals hatte sie geglaubt, daß das wahr werden würde. Aber wer hatte das entschieden, Nista und Rodnik oder diese Feuerwesen? Aber ihr Vater sprach weiter, wie eine Beschwörung klangen seine Worte in der glühenden Dunkelheit: " Hitz und Rotglüh haben beschlossen, Dir von Anfang an einen Helfer an die Seite zu geben, der mit Dir lernen und wachsen soll. Ihr Kind soll Dein Gefährte sein und eines Tages Dein Feuer bewachen, so wie Du das seine bewachen wirst. Deshalb haben sie einen Zünder rufen lassen, damit aus ihrer Dreier Glut ein neuer Funke entstehen kann."
Das Flackern in der Esse wurde, während Rodnik sprach, immer ruhiger. Die Feuerkobolde hatten aufgehört zu tanzen und standen nun still in der Glut. Ihre Schöpfe loderten sacht und leckten wie unruhige Kerzen zum Schornstein hinauf. Drei Paar Kohlenaugen waren auf Kirsta gerichtet. Sie hielt den Stein in der Hand, der auf einmal so wichtig zu sein schien. "Der Stein, den Du gefunden hast," hörte sie Rodnik sagen " ist ein Feuerstein, und ein großer dazu. Daraus wird ein neuer Feuerkobold entstehen."
Die Situation war beängstigend geworden. Im Kamin standen stumm die drei Wesen und starrten nun zur Abwechslung auf den Stein, Vaters Hände lagen schwer auf ihren Schultern und sie spürte, wie er ein wenig zitterte. Es war, so erkannte sie plötzlich, auch für ihn das erste Mal, daß er so etwas sah. Dann trat Rotglüh einen Schritt vor. Kirsta war erstaunt, daß sie ihn sofort erkannte. " Nimm den Stein in beide Hände, junge Schmiedin," sagte er in dieser fremdartig summenden Stimme, "und halte ihn hier in die Esse." Kirsta zögerte einen Moment. Die natürliche Angst sich zu verbrennen hielt sie zurück. Aber sie spürte, wie Rodnik ihr aufmunternd die Ellenbogen stupste und streckte langsam die Arme vor. Rotglüh kam auf sie zu und nahm ihre Hände in die seinen. Noch einmal erschrak Kirsta. Die Hände des Feuerkobolds flackerten und glühten, und sie war sicher, daß sie die ihren verletzen würden. Aber nichts dergleichen geschah. Rotglüh führte ihre Hände, bis sie sich direkt in der Mitte des Kamins befanden. Wie in einer Schale lag darin der Stein. Die drei Kobolde beugten sich darüber und betrachteten ihn eingehend. Sie beachteten das zitternd dastehende Mädchen scheinbar gar nicht.
Die Schmiedstochter sah auf ihre Hände, die jetzt mitten im Feuer waren. Flammen züngelten daran empor, doch sie spürte keine Hitze. Es kitzelte ein wenig und sie dachte daran, wie gern sie immer gewußt hätte, wie sich das Feuer eigentlich anfühlt, wenn man nicht davon verbrannt würde. Die Kobolde zischelten und knackten als würden sie sich unterhalten.
Ist er es?
"Ist es ein Feuerstein?" fragte Hitz soeben und steckte ihren Kopf zu den anderen. Zündel strich sacht mit der Hand darüber " Ja," sagte sie andächtig, "es ist einer. Ein sehr großer sogar, und außerdem einer, der sehr, sehr heiß werden kann." Rotglüh lächelte über das ganze flammende Gesicht. Er brachte kein Wort heraus und sah die beiden anderen nur voller Erwartung an. "Los, Zündel," sagte Hitz ungeduldig, " fang schon an. Sind auf der Geisterinsel alle so langsam?!" Sie konnte sich wirklich kaum im Zaume halten.
Und Zündel begann. "Kirsta, Schmiedstochter," sagte sie, "öffne Deine Hände. Aus diesem Feuerstein wird ein Funke entstehen, ein Funke, der mit dem Leben des Feuers erfüllt ist und niemals mehr erlöschen soll. Durch unser Dreier Hitze soll er schmelzen, durch unser Dreier Glut soll er leuchten und durch unser Dreier Feuer soll er lodern." Zündel winkte Hitz und Rotglüh heran und nahm ihre Hände. Die drei Feuerkobolde bildeten einen Ring aus Flammen, Kirsta konnte sehen wie sie sich anstrengten und ihr Feuer immer heller und höher loderte. Der schwarze Stein in ihren Händen begann langsam rot zu glimmen. Er wurde heller und heller, erst orange, dann gelb. Rodnik mußte einige Schritte vom Kamin zurücktreten, weil die Hitze unerträglich geworden war. Nista und Alnik wandten die Gesichter ab, zu heiß strömte die Luft vom Kamin her. Keiner von ihnen konnte Kirsta noch sehen. Die Umrisse der Esse flimmerten zu stark in der ungeheuren Glut, als daß man noch irgendetwas davor erkennen konnte. Dann hörten sie es prasseln. Das Geräusch wurde immer lauter und durch dieses Prasseln hörten sie eine Stimme sich erheben, als spräche das Feuer selbst zu ihnen.
Kirsta sah, wie das Glühen des Steines immer stärker wurde. Er wurde immer heller, bis er so weiß war wie Eisen kurz vor dem Schmelzen. Aber damit hörte es nicht auf. In ihren Händen fing ein Leuchten an, das sie nach kurzer Zeit fast blendete und strahlte, wie die Sonne im Zenit. Jetzt erhob sich ein Hauch im Kamin und schwoll an zu einem kräftigen Wirbelwind, der den Rauchfang hinauf tobte und das Feuer noch mehr anfachte. Die Kobolde begann zu prasseln, immer und immer lauter, und mitten in dieses Getöse hinein erhob Zündel ihre Stimme:
" Erde, schmilz in dreifach Feuer
Wind, fach dreifach an die Glut
Wasser, lösch, auf daß ein neuer
Funke in der Asche ruht.
Feuer Erde Wasser Wind
schaffen dieses Koboldkind."
Mächtig klang Zündels Stimme. Sie erfüllte den ganzen Raum und fegte alle Gedanken aus den Köpfen der Anwesenden. Wie eine große Glocke hallte sie wider und dahinter erahnte man die Macht, die in den Elementen der Welt steckt. Zündel war zur Stimme des Feuers geworden, zur Stimme aller Feuer auf ganz Magira, zu einer Stimme der Natur.
Langsam schwollen die Geräusche ab. Die Flammen sanken in sich zusammen und die Hitze wurde wieder erträglicher. Rodnik öffnete die Augen. Kirsta stand immer noch vor dem Kamin, unversehrt, wie er es erhofft hatte. Es war kein Laut zu hören, die Stille umrahmte das, was jetzt vor der Esse geschah.
Kirsta zog ihre Hände aus dem Feuer und betrachtet, was darin lag. Der Feuerstein war verschwunden. Stattdessen glühte in ihren Händen ein Funke. Er war schwach und klein, aber Kirsta tat instinktiv genau das was jetzt getan werden mußte. Wie den Funken, den sie zum Anfeuern benutzte, pustete sie diesem nun Luft zu. Sanft und vorsichtig blies sie in ihre Handflächen und der Funke glomm auf. Er wurde hell und rot. Nach kurzer Zeit schlug eine kleine Flamme aus ihm heraus, die wuchs und wuchs. Zündel brachte aus dem Feuer etwas Stroh und Reisig und gierig machte sich das kleine Feuerchen darüber her. Es war aber kein Feuer, das da in Kirstas Hand flackerte, sondern ein kleiner, eben geschaffener Feuerkobold. Rodnik trat zu Kirsta an den Kamin. &Üuml;ber ihre Schulter sah er, was dort entstand. Leise flüsterte er ihr ins Ohr: "Es ist ihr Kind, Du mußt es ihnen geben." und wies auf das Schmiedefeuer, an dessen Rand Hitz und Rotglüh erwartungsvoll und ein wenig ungeduldig standen. Kirsta nickte und hielt den Feuerkobolden das Flämmchen entgegen. Vorsichtig und mit leuchtenden Augen nahmen sie ihr Kind heraus und trugen es in die Mitte des Feuers. Zündel trat zu ihnen. "Welchen Namen soll der Kobold bekommen?" fragte sie. Sie stand aufrecht und ihre Stimme war fest, aber sie schwankte ein wenig und man erkannte daran, wie erschöpft sie war. Rotglüh stand auf, nahm Hitz' Hand und sagte in seiner seltsam verwehenden Stimme: " Der Name unseres Kindes ist Flacker!"
Nista eilte zum Kamin und nahm ihre Tochter auf die Arme. Kirsta war froh, jetzt von der Mutter zu Bett gebracht zu werden. Trotz der Einmaligkeit des Erlebten war sie sehr erschöpft und auch sehr verwirrt. Was war das für eine Magie gewesen? Gab es denn Magie, und wenn, warum war sie ihr nie früher begegnet? Und wenn es die gute Magie gab, gab es dann auch die böse, der man sich doch nur erwehren konnte, wenn man glaubte, daß es sie nicht gab? Viele Gedanken schwirrten ihr durch den Kopf und es gab so wenige Antworten. Dankbar ließ sie sich zudecken. Als die Mutter gegangen war hörte sie, wie Alnik die Leiter heraufkam und sich an ihr Bett setzte. Er nahm ihre Hand und sie hörte ihn im Dunkel sagen: "Filidan hat mich ein Lied gelehrt. Er hat gesagt, es sei für Dich und ich würde wissen, wenn es an der Zeit ist, es Dir zu singen. Jetzt ist die Zeit." Dann begann er leise eine Melodie zu summen. Schon bald sang er Worte, die Kirsta nicht verstand und die auch Alnik nicht kannte, aber er sang weiter. Seine Stimme klang leise und zärtlich, und wie er sang verstand Kirsta plötzlich, was heute geschehen war. Das Lied handelte von der Entstehung der Welt, von dem Beginn aller Dinge und von dem großen Gefüge der Natur. Es handelte von der Erschaffung der Naturgeister in all ihren Gestalten und von ihrem Auftrag, der Natur zu dienen und sie zu schützen. Schließlich sang Alnik von den Feuerkobolden, ihrer Geburt, ihrer Gestalt und ihrer Aufgabe, das Feuer zu schützen und vor dem Feuer zu schützen. Kirsta hörte zu und verstand. Sie wurde ruhiger und ihre Verwirrung verschwand. Irgendwann während Alniks Lied schlief sie ein. Als er geendet hatte strich er seiner kleinen Schwester über das Haar und kroch in sein eigenes Bett.
Der Treck
Zündel war über alle Maßen erschöpft. Sie verließ das glückliche Koboldpaar und schoß den Kamin empor. Irgendwohin in ein kleines gemütliches Herdfeuer wollte sie, und dann nur noch schlafen. Sie saß in der Dunkelheit auf dem Schornstein und schnupperte, ob sie den Rauch eines Feuers riechen könnte. Von unten vom Weg hörte sie plötzlich einen erstickten Schrei. Eine Person stand dort und schaute erschreckt zum Dach hinauf. Zündel verdrehte die Augen. Das war doch die Frau, die schon bei ihrer Ankunft ein solches Theater gemacht hatte. Hoffentlich rannte sie nicht schon wieder laut schreiend auf die Schmiedshütte zu und störte die Menschen im Schlaf. Ein Geruch stieg Zündel in die Nase. Es roch nach frisch angefachtem Schmiedefeuer. Sie sah in den Kamin hinunter, aber da war alles ruhig. In der weichen Asche lagen die drei Kobolde und schliefen. Rasch sprang Zündel vom Dach und machte sich auf, den Ursprung des Rauches zu suchen. Hinter sich hörte sie die Meierin leise vor sich hin schimpfend davongehen.
Der Geruch des Feuers führte sie aus dem Dorf hinaus in die Dunkelheit. Sie war noch nicht weit gekommen, als sie Musik hörte und laute Stimmen, die sangen und sich etwas zuriefen. Vor ihr tauchte Licht auf, das von einem großen Lagerfeuer herrührte. Es befand sich in der Mitte eines Platzes, der von großen Wagen umstanden war. Menschen liefen umher und seltsame Tiere. Sprachen wirbelten durcheinander und es roch nach fremden Speisen und Getränken. Das Lagerfeuer flackerte wild und loderte hoch gegen den Nachthimmel. Aber Zündel war zu müde, um sich jetzt noch darin zu vergnügen. Außerdem war dieses nicht das Feuer, das sie gerochen hatte. Sie sah sich um, dort am anderen Ende des Lagers stieg Rauch aus einem Schornstein auf. Ja, das roch nach Schmiede, nach glühender Kohle und heißem Eisen. Zündel nahm ihre letzte Kraft zusammen und spurtete über den Platz. Das letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte, war ein übermäßig aufmerksamer Sterblicher, der bei ihrem Anblick Alarm schlug.
Unbehelligt kam sie am anderen Ende des Platzes an. Eine so merkwürdige Schmiede hatte sie noch niemals gesehen. Es war ein Planwagen, aus dessen Bespannung ein eiserner Schornstein hervorlugte. An den Seiten hingen Fässer mit Sand und Wasser und die Räder waren stärker und dicker, als bei einem normalen Wagen. Einen Augenblick überlegte sie, ob sie das Risiko eingehen sollte, aber die Müdigkeit siegte über die Vorsicht, und schneller als ein Blitz war sie am Schornstein hinauf geklettert und sprang hinunter. Ach, wie herrlich warm war es darin und weiche, feine Asche war sorgsam um die restlichen glühenden Kohlen gebettet. Nun, der Schmied, wer immer es war, würde sich am nächsten Morgen wundern, warum sie immer noch glühten. Mit einem Seufzen ließ sich Zündel in der Esse nieder, schloß die Augen, erlosch langsam und war im nächsten Augenblick fest eingeschlafen.
Feurio !
Zündel
A. Briehle
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Stand:20.01.2011