Die Hügelgate-Affäre

Kapitel 2: Arkan schlägt zurück !

Wieder einmal war ein schöner Tag im Hügelreich. (Falls es jemandem aufgefallen sein sollte: Im Hügelreich gibt es fast nur schöne Tage. Seltsamerweise übernimmt eigentlich niemand freiwillig die Verantwortung dafür, aus Angst vor der Verantwortung für die wenigen schlechten Tage.)
Feach war wieder einmal mit wichtigen Angelegenheiten für den Hügel beschäftigt. Auch das war eine der Konstanten dieser seltsamen Welt. Bislang hatte aber noch niemand herausgefunden, woraus diese wichtigen Angelegenheiten bestanden, man wußte nur, daß es nicht klug war, ihn dabei zu stören. Mitten in diesen Dingen also öffnete sich die Tür zum Ratssaal und der Kopf einer Wache erschien.
"Hauptmann, der Pri... Verzeihung, Arkan ist hier und wünscht Euch zu sehen. Soll ich ihn herein geleiten?"
Feach war versucht, dem Mann zu sagen, daß dafür der Hügelprinz zuständig sei, doch seltsamerweise hatte er Jethro seit langem nicht mehr gesehen. Innerlich aufseufzend nickte er der Wache zu und legte die Papiere, mit denen er sich gerade beschäftigt hatte zurück auf sein Pult. Als er sich seinem Gast zuwandte, lag ein breites, herzliches Lächeln auf seinem Gesicht.
"Arkan, wie schön, dich zu sehen, alter Freund. Was treibt dich zu mir zu dieser Stunde, Kleiner? Was macht das Ex-Prinzen-Geschäft?"
Seltsamerweise wurde Arkans Lächeln bei diesen Sprüchen immer breiter, was sämtliche Alarmglocken in Feach zum Klingen brachte. Es war sonst nicht Arkans Art, Anspielungen ohne Kommentar zu schlucken. Dahinter steckte etwas Übles - oder er war wieder einmal an Albatanor´s Weinvorräten gewesen. Nein, völlig unmöglich. Der Wachtposten, den er dort postiert hatte, würde ihm sofort Meldung gemacht haben. Also war er nüchtern, was Feach wieder auf üble Gedanken brachte.
"Feach, mein Alter, schön, dich wiederzusehen. Was macht das Geschäft? Gut? Fein, fein. Bei deinen Leuten auch alles wohlauf? Fein, also scheint Euch die Kürzung nicht weiter zu belasten. Hätte mich auch gewundert, wenn du dich von so einer Kleinigkeit..."
Bei diesem Redeschwall wäre Feach beinahe entgangen, was Arkan da genau gesagt hatte. Als er es dann doch registrierte, brauchte er einen Augenblick, um zu verstehen, daß Arkan es wirklich erwähnt hatte. Doch dann fiel er seinem Gegenüber ins eines der vielen Worte, die er ihm entgegen schleuderte.
"Arkan, stop. Mir war gerade so, als hättest du im Zusammenhang mit meinen Leuten etwas von einer Kürzung erwähnt. Es mag dir seltsam vorkommen und ich gebe es auch nicht sehr gerne zu, aber...was willst du mir damit genau sagen. Ich warne dich, wenn das einer von deinen Scherzen ist, kenne ich genau das Plätzchen, um dir die Späße auszutreiben. Außerdem bist du mit deinen Fechtlektionen sowieso im Rückstand, oder..."
Panik ersetzte das entspannte und siegessichere Lächeln im Gesicht des Ex-Prinzen. Schnell trat er einige Schritte zurück, um etwas Abstand zu diesen Drohungen zu gewinnen. Seine Gedanken kreisten um diesen Ort, den Feach erwähnt hatte, doch fiel ihm nichts derartiges ein. Andererseits machte Feach keine leeren Drohungen. Er würde sich mit dieser Angelegenheit etwas später in Ruhe beschäftigen müssen. Jetzt hatte er dringendere Dinge zu erledigen.
"Aber Feach, willst du damit sagen, daß deinen wachen Augen etwas Wichtiges entgangen sein könnte. Wenn ich irgendwie hinterlistig veranlagt wäre, würde ich mir diesen Vorfall merken und zu gegebener Zeit bösartig anwenden. Da solche Dinge mir jedoch völlig fremd sind, frage ich mich nur, ob du nicht vielleicht überarbeitet bist und einen kleinen Urlaub gebrauchen könntest. Aber genug davon. Wo waren wir gerade... ach ja, die Kürzung. Feach, wirklich. Du hast noch nichts davon erfahren, daß der Hügelprinz, mein lieber Bruder Jethro, die Mittel für die Garde gekürzt hat? Keiner hat dir gesagt, daß nach Jethro´s Ansicht die Lanzen und Rüstungen viel zu teuer sind und Ihr deshalb mit den viel preiswerteren Dolchen ausgerüstet werdet? Ich hatte mich auch schon gewundert, daß du noch nicht protestiert hattest, denn du warst doch immer..."
In diesem Moment klopfte es erneut an der Tür, was Arkan erneut in seinem Redefluß unterbrach. Erneut streckte der Wächter seinen Kopf in den Ratssaal, diesmal deutlich verlegener.
"Hauptmann, verzeiht die erneute Störung, aber hier ist ein Schreiber, der den Prinzen sehen möchte. Er sagt etwas von alten Dokumenten, Unterschriften und ausstehender Bezahlung. Soll ich..."
Anfangs wollte Feach den Mann unwirsch abweisen, doch dann machte etwas in seinem Hinterkopf deutlich KLICK und ein Stück des Puzzles rastete in das Muster ein. Dummerweise war sich Feach weder bewußt, welches Teil das war, noch wie das Muster auszusehen hatte. Hörbar seufzend bedeutete er dem Posten, den Mann hereinzulassen. Das war wieder einer von DIESEN Tagen, die in letzter Zeit immer häufiger vorkamen.
"Nun, guter Mann, seid willkommen. Wie Ihr seht, ist Jethro Cunack derzeit nicht zu sprechen, weshalb Ihr wohl mit mir vorlieb nehmen müßt. Also, sprecht, meine Zeit ist begrenzt, wichtige Dinge erfordern meine Aufmerksamkeit."
Wichtige Dinge, fügte Feach in Gedanken hinzu, wie das Ausquetschen von Arkan wegen dieser Kürzungen sowie ein ernsthaftes Gespräch mit Jethro, sollte er ihn irgendwie auffinden können. Aber jetzt zu diesem Schreiber.
"Nun, Hauptmann MacLlyr, es geht um diese Dokumente, die Prinz Cunack vor einiger Zeit bei mir in Auftrag gab. Seht Ihr, es war eine Heidenarbeit, die alten Archive zu durchforsten, um die Unterschrift zu finden, geschweige denn der Aufwand, das Dokument alt aussehen zu lassen. Er sagte, es müsse echt wirken, damit sein Plan funktioniere. Nur meine Bezahlung, die habe ich nicht erhalten. Er sagte, wenn er erstmal Erfolg gehabt hätte, würde ich sofort mein Geld bekommen. Aber hat er sein Wort gehalten? Nein. Statt dessen hat er..."
Immer schneller wirbelten die Worte hinter Feachs Stirn hin und her. Tiefer und tiefer versank er im Strudel der Wortfetzen, die der Schreiber ihm um die Ohren schlug. Doch plötzlich machte es nochmals KLICK und ein weiteres Stück fügte sich in das Muster ein.
"Sekunde mal. Wenn ich das richtig verstanden habe, dann hat Jethro Cunack bei Euch ein auf alt gemachtes Dokument in Auftrag gegeben, daß mit einer gefälschten Unterschrift versehen war, für das Ihr nach erfolgreichem Abschluß seines Planes bezahlt werden solltet. Ist das so korrekt? Gut. Was mich jetzt noch brennend interessiert, ist folgendes: Was stand in dem Dokument und wessen Unterschrift habt Ihr... nachempfunden? Sagt es mir, dann bekommt Ihr Euer Geld, obwohl Fälscher eigentlich einen anderen Lohn erhalten. Moch, mein Gedächtnis. Arkan, erinnert Ihr Euch noch, was Fälscher als Lohn erhalten? Ich weiß nur noch, daß es etwas mit Äxten und Handgelenken zu tun hatte. Nein? Nun, dann muß ich mich doch noch mal danach erkundigen. Vielleicht weiß der Wächter ja..."
Das Gesicht des Schreibers wurde immer länger und breiter, je länger Feach versuchte, sich zu erinnern. Hastig versuchte er, etwas zu sagen, brachte aber nur ein verwirrtes Stottern zustande. Panisch versuchte er, sich wieder unter Kontrolle zu bringen.
"Hauptmann, haltet ein. Bestimmt haltet Ihr mich für einen gierigen Mann, doch Ihr irrt Euch. Bescheidenheit war schon immer eine Tugend in meiner Familie. Ich kam nur zu Euch, um diesen Vorfall zu melden, da ich niemals etwas Unrechtes tun würde. Prinz Jethro zwang mich, dieses unsägliche Schriftstück zu verfassen. Er sagte, er bräuchte ein Testament seines Vaters zu seinen Gunsten. Niemals hätte ich..."
Heiliger Zorn erschien auf Feachs Zügen, als er dem Redeschwall des Schreibers ein Ende machte.
"Ihr wagt es, den Hügelprinzen zu verleumden. Ihr, der vor Zeugen zugegeben hat, ein Dokument gefälscht und damit das Hügelreich geschädigt zu haben, maßt Euch die bodenlose Frechheit an, Jethro Cunack unlautere Motive vorzuwerfen? Wißt Ihr überhaupt, was Ihr da sagt? Kerl, das ist Hochverrat. Dafür könnte ich Euch hängen. Also, gebt mir diesen Wisch, den Ihr da in der Hand habt und meldet Euch bei der Wache zur weiteren Bestrafung. Los, geht mir aus den Augen, ehe ich Euch gleich hier zur Rechenschaft ziehe."
Als der kreidebleiche Schreiber fluchtartig den Saal verließ, rief Feach die Wache herein.
"Wenn der Kerl sich zur Bestrafung meldet, laßt ihn die Protokolle der letzten zwei Jahre ins Reine schreiben und laßt ihn laufen. Ach ja, händigt ihm noch den Lohn aus, der ihm zusteht. Ich bin ja kein Unmensch. Also los, gebt das weiter."
Mit unmenschlicher Anstrengung beherrschte sich Feach, bis die Tür hinter dem Posten zugefallen war, dann endlich brach er in ein gewaltiges Lachen aus. So gut hatte er sich lange nicht mehr amüsiert. Doch während er noch im Gelächter gefangen war, klickte ein weiteres Teil an seinen Platz.
"Arkan, weißt du vielleicht, wo sich Jethro im Moment aufhält? Es gibt da ein paar Fragen, die ich ihm gerne stellen möchte. Es geht da um gewisse Dinge, die die Bewaffnung meiner Leute betreffen. Ach ja, auch um ein gewisses Dokument. Nun?"
Das Lächeln, das während der ganzen Zeit auf Arkans Gesicht war, erweiterte sich zu einem breiten Grinsen, als der ehemalige Hügelprinz die Arme auf den Rücken legte und Feach ansah.
"Aber weißt du das denn nicht? Mein Bruder ist vor einiger Zeit zu einer Kreuzfahrt aufgebrochen. Er meinte, da er nun einige Kosten reduziert hätte, könne er sich diesen Urlaub leisten. Wann er zurückkäme, könne er nicht genau sagen, aber er meinte, wir sollen nicht auf ihn warten. Hat er dir das nicht gesagt? Das wundert mich aber, vor allem, da er meinte, du wüßtest Bescheid und würdest dich um alles kümmern."
Leichte rote Schleier legten sich vor Feachs Augen, als er das, was Arkan ihm da erzählte, zu verarbeiten versuchte. Dummerweise blieb dabei seine Gelassenheit auf der Strecke. Die Sache mit dem Urlaub erklärte auch, wieso die ganzen ´offiziellen´ Dinge in seinen Händen landeten. Kein Wunder, daß er kaum noch dazu kam, sich um seine eigentlichen Aufgaben zu kümmern, was auch erklären würde, warum ihm diese ganze Kürzungs-geschichte bisher verborgen geblieben war. Aber das würde nun ein Ende haben. Jetzt würde er die Sache in die Hand nehmen.
"Arkan, das Volk beklagt sich, daß der Prinz des Hügels seine Pflichten vernachlässigt und sich nicht um seine
Untergebenen kümmert. Es beklagt sich, daß Jethro Cunack sein Vergnügen wichtiger ist als seine Aufgaben, die ihm als Hügelprinz auferlegt wurden. Der Wille des Volkes verlangt, daß ein anderer, verantwortungsbewußterer Mann den Titel des Hügelprinzen führt. Nun, Arkan, kennt Ihr einen passenden Anwärter auf den Thron des Hügelreiches?"
"Feach, alter Freund, natürlich kenne ich da jemanden. Und ich denke, dieser Jemand wird die alten Zustände im Hügel wieder herbeiführen wollen, um dem Volk zu zeigen, daß es nicht vergessen ist. Auch die Garde sollte selbstverständlich wieder mit den passenden Dingen ausgestattet werden. Wenn ich mich recht erinnere, wurde mir vor nicht allzu langer Zeit der Bauplan des ´Onager 90´ vorgelegt, der neuesten Entwicklung auf dem Waffensektor. Wie würde Euch das gefallen, eh?"
Die beiden Freunde sahen sich lange und eindringlich an, auf beiden Gesichtern ein beinahe manisches Grinsen. Doch dann wurde Feach schlagartig wieder ernst.
"Meint Ihr wirklich, daß er all das tun würde? Das klingt gut, aber glaubt Ihr wirklich, daß man sich Titel so einfach kaufen kann? Ihr enttäuscht mich wirklich, Arkan."
Dieser jedoch war innerlich schon viel weiter fortgeschritten, weshalb er nur einen Teil von Feachs Worten mitbekam.
"Äähhh, Titel? Ja klar, natürlich, warum sollte der verdiente Hauptmann der Garde nicht mit einem Titel geehrt werden. Schon lange wollte ich dieses Zeichen der Erkenntlichkeit in die Tat umsetzen, doch Ihr wißt ja, dieser ständige Termindruck...."
Feachs Grinsen wurde noch breiter. Das lief ja besser als erwartet. Das war zwar nicht der Zweck seiner Rede gewesen, aber wie lautete dieser alte Sinnspruch noch gleich? Einem geschenkten Krug Hügelblut schaut man nicht auf den Henkel?
Na ja, so oder ähnlich. Bevor sein Grinsen anfangen konnte, in den Mundwinkeln wehzutun, drehte er sich um und rief nach der Wache.
"Wache, ruft den Rat zusammen. Sagt ihnen, sie sollen sich so schnell wie möglich im Ratssaal zusammenfinden. Falls sie Fragen stellen, so sagt ihnen, der Hügelprinz Arkan ist zurückgekehrt und hätte etwas mit ihnen zu besprechen. Ach ja, wenn Ihr gerade unterwegs seid, schickt doch bitte einige Leute aus, um Jethro Cunack zu suchen. Ich hätte da einige Fragen an ihn. Los, Mann, worauf wartet Ihr noch."
Als der Mann gegangen war, drehte Feach sich zu Arkan um, legte ihm den Arm um die Schultern und zog ihn zum Ausgang.
"Arkan, das sollten wir feiern. Wenn ich mich richtig erinnere, hast du da noch einige Flaschen von diesem köstlichen Tropfen, den du schon seit langem hütest. Wenn das jetzt nicht die richtige Gelegenheit wäre, um sie zu öffnen..."
Lachend zog er den sich angesichts der angedrohten Plünderung seines kostbarsten Weines heftig sträubenden Arkan zu dessen Gemächern.

Vorläufiges Ende (?!)

 

Die Hügelgate-Affäre - Teil II
Feach MacLlyr
Bernd Meyer

 

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Stand:30.09.2010