Kapitel 3: Der Hügel schlägt zurück
Es war an einen völlig normalen Tag im Arbeitszimmer des Dhanndh in Dhanndhcaer. Arkan tat wieder einmal das, was er unter Arbeit verstand, das heißt er prüfte den Inhalt einer Flasche auf den Alkoholgehalt. Dem Eifer nach, den er dabei an den Tag legte, war er mit dem Ergebnis seiner Bemühungen mehr als zufrieden. Leider jedoch wollte es das Schicksal (in Gestalt der drei Geheimnisvollen, die das Leben eines jeden Hüglers bestimmen) jedoch, daß er seiner Tätigkeit nicht ungestört nachgehen konnte. Mitten im dritten Testlauf klopfte es an der Tür. Das Schicksal verfluchend, daß Feach nicht mehr da war, um ihm zu melden, wer da war und vor allem, was diese Person wollte, brummelte er ein halblautes "Herein!"
Zu seiner nicht geringen Überraschung sah er als erstes das ihm wohlbekannte Gesicht seines ehemaligen Leibwächters. Er sah sich kurz im Raum um, quittierte Arkans Anwesenheit mit einem knappen, respektvollen Kopfnicken und zog sich dann zurück. Nach diesem Anblick war das darauffolgende Eintreten von Jethro keine wirkliche Überraschung mehr für ihn.
"Lieber Bruder, schön dich wieder mal zu sehen. Komm herein, setz dich und nimm dir etwas zu trinken. Ich hoffe doch sehr, daß bei den Thuach na Moch alles in Ordnung ist. Was führt dich zu mir, Jethro ?"
Der Angesprochene nahm alle drei Angebote an, nachdem er seinem Halbbruder erst einmal eine herzliche Umarmung angedeihen ließ. Als sie sich dann gegenüber saßen, ließ Jethro die Katze aus dem Sack:
"Arkan, ich denke, es ist weit genug gegangen. Laß uns doch endlich diese Farce beenden. Ich möchte endlich mal wieder in Ruhe über die Straße gehen können, ohne daß Feach ständig zwei Schritte hinter mir ist. Brüderchen, du hast nun alles erreicht, was du haben wolltest und ich habe definitiv keine Lust mehr - ab sofort bist du wieder der Hügelprinz, ich kündige !"
Dem Dhanndh, der sich bei der Klage über Feach beinahe vor Lachen verschluckt hatte, blieb die Luft weg. Vergessen war das Lachen, das ihm eben noch so zu schaffen gemacht hatte. Mit todernstem Gesicht sah er sein Gegenüber an und deutete mit seinem rechten Zeigefinger auf ihn.
"Nun, Jethro, ich weiß nicht. Immerhin bin ich jetzt Dhanndh und so. Du mußt zugeben, daß ich jetzt einen viel tolleren Posten habe als ein bloßer Hügelprinz. Nö, ich denke mal, mir gefällt das alles so, wie es ist. Wenn du nicht mehr Hügelprinz sein willst, mußt du halt irgendwie sehen, wie du das deinem Volk klarmachen kannst. Einfach alles hinschmeißen geht nicht, da mußt du dir irgendwas anderes ausdenken. Außerdem muß ich hier dem Ruf des Volkes folgen und ihm als Herrscher dienen. Da habe ich nun wirklich nicht mehr die Zeit, auch noch im Hügel nach dem Rechten zu sehen, das wirst du ja wohl verstehen, oder ? Ich würde ja auch gerne noch länger mit dir über deine Probleme reden, aber die Pflicht ruft, du weißt ja, wie das ist. Also, wenn du noch mehr Probleme hast, laß es mich wissen. Bis bald, Bruderherz."
Jethro erhob sich mit etwas verkniffenem Gesicht. Diesen Ausgang des Gespräches hatte er nicht erwartet. Leicht schmollend ging er zur Tür, drehte sich jedoch kurz vor ihr noch einmal um und sah seinen Bruder an.
"Arkan, das hätte ich nun nicht erwartet. Dann muß ich mir halt etwas anderes ausdenken. Glaub´ mir, wir sehen uns wieder."
Mit diesen Worten öffnete er die Tür, stürmte hinaus, gefolgt von der schwarzen Gestalt Feach MacLlyrs und ließ seinen Bruder allein. Dieser machte sich nun keine Mühe mehr, das Grinsen auf seinem Gesicht zu verbergen und rief nach einem Boten. Die folgenden Stunden würden zwar arbeitsintensiv werden, dafür würde aber endlich wieder etwas Lustiges passieren. Arbeit ist gar nicht mal so schlecht, wenn der Aufwand sich lohnt, dachte Arkan noch, als er die Tür schloß.
***
Kurze Zeit später gab es einen mittleren Aufruhr im Hügelreich. Etwas Unerhörtes war vorgekommen: Der Hügelprinz, Jethro Cunack, hatte das gesamte Hügelvolk in der Hauptstadt Cor Dhai zusammengerufen. Feach war deswegen wieder einmal in einer seiner Speziallaunen: Er brüllte und fluchte dermaßen, daß sogar seine abgebrühtesten Veteranen fluchtartig aus seiner Nähe verschwanden. Wie in Mochs Namen sollte er einerseits das Volk weit genug weghalten, um seinen Prinzen zu beschützen, andererseits aber auch dicht genug heranlassen, um möglichst viele die Ansprache hören zu lassen.
Irgendwann jedoch seufzte er resignierend, begab sich zum Meister der Herolde und Ausrufer und requirierte kurzerhand jeden Herold, den er in die Finger bekam, als "Relaisstelle". So konnte es funktionieren. Einer plötzlichen, tiefen Müdigkeit nachgebend, setzte er sich einen Moment. So war es immer. Die Nasenbären da oben an der gesellschaftlichen Spitze brüteten unglaublich tolle Pläne aus und der kleine Mann weiter unten mußte sich mit deren Realisierung abplagen. Das hatte er halbwegs akzeptiert im Laufe seines langen Lebens. Doch es gab immer noch etwas, das ihn an diesem Konzept störte: Warum eigentlich immer ICH ????
Jethro stand auf seinem Balkon und blickte auf die riesige Ansammlung von Leibern unter ihm. Seine treuen Untertanen. Er bat sie höflich um ihre Aufmerksamkeit und sie alle kamen. Diese Hingabe. Oder sollte Feach doch etwa...nein, das würde er nie wagen. Und doch... er wirkte in letzter Zeit so seltsam besorgt und erschöpft. Vielleicht sollte man Feach mal wieder in einen kurzen Urlaub schicken. Doch dann erinnerte er sich an seinen letzten Versuch in dieser Richtung und verdrängte diesen Gedanken sehr schnell wieder. Es ist selbst für den Hügelprinzen sehr unangenehm, von seinem Leibwächter vollständig ignoriert zu werden. Und das Ignorieren beherrschte Feach meisterhaft. Nun, aber das tat heute nichts mehr zur Sache. Jetzt mußte er sich an sein Volk wenden. Schnell zauberte er ein Lächeln auf sein Gesicht, als er sich umwandte.
"Meine Untertanen. Ich, Jethro Cunack, euer geliebter Hügelprinz, richte heute das Wort an euch in einer ernsten Angelegenheit. Mir ist zu Ohren gekommen, daß Unzufriedenheit im Hügelreich herrscht und viele von euch den Hügelzwer... meinen geliebten Bruder Arkan wieder als Hügelprinzen sehen möchten. Nun, ich bin kein Despot und darum überlasse ich euch die Entscheidung. Ich habe mir ein revolutionäres, neues System ausgedacht, um alles fair und gerecht ablaufen zu lassen. Also, fangen wir erstmal an und ich erkläre euch die Feinheiten, wenn sie gebraucht werden. Nun, Volk der Thuach na Moch, wer von euch meinen Bruder Arkan als Hügelprinzen haben möchte, der hebt nun die Hand."
Während Jethro noch am Grübeln war, ob er sich die leisen Echos vom Platz unten nicht eingebildet hatte, drangen langsam die Stimmen seines Volkes zu ihm durch:
"Arkan...muß ich den kennen?...WELCHE Hand sollen wir denn jetzt heben?... Wie war die Frage noch gleich?...Wo bin ich hier und was will der Knabe da oben eigentlich von uns?"
Er hätte es wissen müssen. Es war immer ein Fehler, dem Hügelvolk mit der ernsten Masche kommen zu wollen. Wenn es denn wieder mal sein mußte... innerlich seufzend versetzte er sich in seinen bewährten RaRudi K´Arullu-Zustand und begann seine Rede erneut, diesmal aber ganz leicht geändert.
"Guten Abend, liebes Hügelvolk. Willkommen bei der heutigen Ausgabe von ´Sie haben gewählt´, der tollsten Spielshow diesseits von Magira. Unsere beiden Kandidaten heute abend sind Arkan und Jethro. Und der Hauptpreis ist diesmal der Thron des Hügelprinzen. Aber das Allertollste ist: IHR entscheidet , wer gewinnt, indem ihr einfach eurem Favoriten zujubelt. Also, laßt uns anfangen. Wir beginnen mal einfach mit Jethro. Also, wer meint, daß Jethro der Hügelprinz ist, der jubele jetzt...."
Totenstille (Kunststück, wenn man bedenkt, wo sich diese Geschichte im Moment gerade abspielt...). Endlich haben sie mich verstanden, dachte Jethro triumphierend. Und jetzt der coup de grace...
"Und nun der nächste Kandidat: Arkan. Laßt mich euren donnernden Applaus hören für diesen klein... uuups, großen Mann der Hügelpolitik..."
Aaaahhh, sein Plan war aufgegangen. Dort unten waren sie, die Hügelvölkler und jubelten ihrem alten Herrscher zu. Diese aufgebrachte, tobende Menge, diese... Totenstille...
Irgend etwas war schiefgegangen. Aber damit hätte er rechnen müssen. Wie hatte damals schon seine Mutter immer gesagt? Wenn du glaubst, den Hügel zu verstehen, hast du RICHTIG verloren.
"Sehr witzig, ihr da unten. Wirklich äußerst witzig. Und so überraschend und innovativ. Aber nun mal im Ernst, Leute. Ihr habt jetzt die Möglichkeit, euren Prinzen zu wählen. Wenn es mit Armheben und Jubeln nicht klappt, ruft wenigstens seinen Namen. Für die, die es vergessen haben: Arkan und Jethro. Also los Jungs, laßt mal hören..."
Stille. Na ja, Jethro hatte es wenigstens versucht. Dann würde er jetzt eben nach Hause gehen und...
"JETH-RO,JETH-RO,JETH-RO,..."
Grinsende Gesichter brüllten aus voller Kehle seinen Namen über den Marktplatz. Weinend brach Jethro über seiner Balkonbrüstung zusammen und wollte gerade mit dem Umherwerfen-von-garstigen-Worten beginnen, als sein Blick auf eine kleine Gestalt fiel, die ursprünglich etwas abseits der Menge gestanden hatte und nun durch hemmungsloses Lachen dem Erstickungstod erschreckend nahe war. ARKAN. Dieser miese, kleine, durchtriebene, schurkische,...
Und er hatte schon WIEDER gewonnen...