Missverständnisse

 

„Ha, gewonnen!“
Arkan hob seine Arme in einem Sturm der Begeisterung wie ein Tänzer über seinen Kopf und tänzelte spielerisch um Fiacha, die sich mit schmollendem Gesicht Lorendas zuwandte.
„Er mogelt, Lorendas,“ zischte es zwischen ihren Lippen hervor. „Ich konnte noch nie ein Murmelspiel gegen ihn gewinnen, - und ich bin gut! Ich gewinne bei anderen immer.“
Lorendas, der im Schatten eines Baumes auf einer steinernen Bank saß, und das Spiel des königlichen Paares beobachtete, lächelte, aber schwieg.
„Pah, das hat mit mogeln gar nichts zu tun,“ erwiderte Arkan und stellte sich vor seine Gemahlin. „Das, meine liebste Gattin, ist der Zauber des Glücks.“
Fiachas Gesicht verdunkelte sich wie eine Gewitterwolke. Blitzschnell traf ihr Fuß mit aller Wucht das Schienbein ihres Mannes, der darauf hin kurz vor Schmerz aufschrie. Zeternd und sich das geschundene Bein massierend, hüpfte er umher.
„Es ist wirklich Glück, Weib, - das meiste jedenfalls, und wirklich kein Grund mich umbringen zu wollen.“
„Aha, Ihr habt es gehört, Lorendas, - er gibt es zu.“ Die Mocha zwinkerte dem alten Mann verschwörerisch zu und lächelte zufrieden.
„Mogeln ist doch nichts anderes, als dem Glück einen Stoss in die richtige Richtung zu geben!“ zitierte Lorendas laut und räusperte sich verlegen, als er Fiachas Stirnrunzeln sah.
Arkan lachte laut auf.
„Lorendas, wo habt Ihr bloß diese vielen Weisheiten stets her?“
Der alte königliche Mentor grinste und antwortete: „Diese Weisheit ist nicht aus unseren Schriften, als vielmehr ein Zitat Eurer Druidin Chat Bidu.“
Fiacha schaute sichtlich verblüfft, und selbst Arkan sah für einen Moment irritiert aus. Dann pfiff er durch seine Zähne und grinste.
„Ich weiß schon, warum ich die mambach(1) so schätze.“
Fiacha sammelte ihre Murmeln auf und strich gedankenverloren den feinen Sand der Murmelbahn glatt. Arkan hockte sich neben sie und sah einige Zeit dem Farbenspiel der untergehenden Sonne auf ihrem Haar zu.
„Sie ist hier nicht glücklich, Arkan,“ sagte seine Frau plötzlich und sah ihn an. In ihren Augen lag eine schwere Betroffen-heit, und er wusste, warum er diese junge Mocha als „Tanzgefährtin“(2) so schätzte.
„Wieso meinst du das, Fiacha? Hat sie irgendetwas in der Art gesagt?“
Fiacha schüttelte verneinend den Kopf. „Ich weiß es Arkan, - ich hab es gespürt, - gefühlt, - gesehen…“
Der Hügelprinz sah, dass sie sichtlich Schwierigkeiten hatte, ihre Empfindungen in Worte zu fassen.
„Deine Gabe?“ fragte er vorsichtig, obgleich er die Antwort schon ahnte. Seine Frau versuchte zu lächeln, aber es wirkte verkrampft und unsicher.
„Ach, Fiacha, hör auf dich immer schuldig zu fühlen, wenn das passiert, es hat auch sein Gutes. Sieh mal, jetzt wissen wir es, und können vielleicht irgendwas tun, damit sie sich hier besser fühlt, vielleicht sogar, dass sie glücklich ist, wenngleich ich wirklich nicht verstehe,…oder ist es Heimweh?“

***

„Ihr solltet Euch wirklich zu schade für solch einen Unfug sein. Unfug? Nein, eine Unverschämtheit ist das!“
Chat Bidus zornige Stimme hallte laut durch das sonnendurchflutete Arbeitszimmer.
„Wer denkt sich hier solch eine Narretei aus, und wie könnt Ihr das auch noch gutheißen?“
Lorendas stand immer noch an dem kleinen, mit feinstem Blattgold verzierten Tisch, dort, wo er vor dem Beginn der überraschend temperamentvollen Beschimpfungen den kleinen Stapel Schriftstücke abgelegt hatte. Die Augen der Druidin erstrahlten in dem tiefsten Grün, das er jemals gesehen hatte, aber das zornige Funkeln hatte sich mit jeder Beschimpfungssalve zusehends erschöpft. Gerade jetzt, wo sie erschöpft und offenbar keine Worte mehr findend mit dem Rücken an einem der wandhohen Regale stand, aufrecht und trotzig, verstand Lorendas die Sorge des königlichen Paares. Zum ersten Mal erkannte er die zarten Linien um ihre Augen und die Schatten, die auf Sorge und unruhigem Schlaf hinwiesen.
Auf Lorendas Gesicht zauberte sich ein gütiges, ja, fast väterlich wirkendes Lächeln, - er hatte die beruhigende Wirkung über viele Jahrhunderte geübt und erprobt, und sah mit einiger Freude, dass ihr krampfhafter Griff sich von dem Regal lockerte.
„Verehrte mambach, ich verstehe Euren Zorn nicht. Wem wird schon die Ehre zuteil, dass ich die Einladungen vorlese? Es ist ja nicht so, dass Eure gesamte Korrespondenz von mir durchgesehen oder veröffentlicht wird, - nur die Einladungen.“
Chat Bidu atmete hörbar tief durch. Sie schritt bedacht, als ob sie um ihr Gleichgewicht ringen würde, zu einem der geöffneten Fenster und sah hinab auf den großen Innenhof des Kristallpalastes. Einige Mocha - Diener, Stallburschen und Fianna - schauten, ihr Tagwerk kurz unterbrechend, Unverholen nach oben, um die Ursache des zornigen Ausbruches zu erspähen.
„Na, hervorragend, “ brummte die Druidin, „wie dumm von mir…“
„Also, verehrte mambach, so würde ich das nicht sagen. Ihr seid wahrhaftig ein wenig zu streng mit Euch, - vielleicht hattet Ihr nur überhört, dass ich von den Einladungen sprach und nicht….“
Irritiert sah die Druidin den alten Mann an.
„Ich sprach von dem Fenster, Lorendas, nicht von den Briefen! Ich hätte das Fenster vorher schließen sollen, bevor ich meinen Unmut kundtat. Bei Moch, ich hoffe, dass nicht zu viel nach draußen gedrungen ist.“
Lorendas kicherte sichtlich amüsiert.
„Unmut? Bei allem, was mir wichtig ist….Ich bin erstaunt und erfreut doch noch einige Schimpfwörter nicht zu kennen. Manche konnte ich sprachlich nicht einmal einordnen. Was bedeutet eigentlich das Wort ….?“
„Lorendas, ich bitte Euch!“ Chat Bidus Stimme war voll harter Zurechtweisung. Dann, als sei sie sich plötzlich ihres harschen Verhaltens gegenüber dem alten, königlichen Mentor bewusst, hielt sie schlagartig inne, räusperte sich und senkte verlegen ihr Haupt.
„Verzeiht meine Unfähigkeit, dies alles zu begreifen. Offensichtlich ist mein Geist immer noch zu befangen, den Sinn dieser sicherlich weisen Entscheidung des königlichen Hauses nachzuvollziehen.“
Die Worte, die sie sprach, waren so voller Sanftheit und Demut, dass der alte Mann sie lange verblüfft anstarrte, bevor er zu einer erneuten detaillierten Erklärung ansetzte.

***

„Hoheit, bitte wartet, wenn Ihr mir einen Augenblick Eurer kostbaren Zeit widmen würdet?!“
Erstaunt sah Fiacha sich um. Eine Gestalt löste sich aus dem Schatten eines alten Balsambusches und kam schnell leichten Schrittes auf sie zu. Sie erkannte die Druidin.
Die Sonne stand hoch am Himmel und tauchte den Garten mit ihrem vollen Licht in eine Flut aus Grün und bunter Blütenpracht und bot nur unter den hohen Stauden und Bäumen Schutz vor ihrer intensiven Hitze. Die Luft flirrte, und der graue Staub der Wege schien sich emporheben zu wollen, so dass das Atmen schwer fiel, und jeder diesen Tag mit möglichst wenig körperlicher Betätigung verbrachte.
Chat Bidu erreichte die kleine Mocha, verneigte sich und musterte interessiert das blau-goldene Gewand der Hügelprinzessin.
„Hmmm, das kleidet Euch ausgezeichnet, Hoheit, wirklich wundervoll.“
Fiacha strahlte.
„Ja? Leiahna hat sich wieder einmal übertroffen! Ich trage es nur, weil ich sicher gehen will, dass es tatsächlich so leicht und luftig ist wie sie sagt, aber natürlich hatte sie recht, - es trägt sich wundervoll, so leicht….aber man sieht doch nichts, was dem gemeinem Auge nicht zugänglich sein sollte, oder?“
Die Druidin schüttelte verneinend den Kopf.
„Gut, ich denke, ich werde es dann für gut befinden, “ beschloss Fiacha in einem leicht affektierten höfischen Tonfall. „Ist Euch Euer dickes Gewand nicht zu schwer und zu heiß?“ fragte sie plötzlich.
„Nur manchmal, Hoheit, “ erwiderte Chat Bidu leise mit ihrer dunklen Stimme, in einem Tonfall, der die kleine Mocha bis zu den Ohren erröten ließ. Schnell wandte sie sich ab.
„Begleitet mich ein Stück meines Weges und sagt, warum Ihr mich sprechen wolltet, mambach!“
Die Druidin schien die Verlegenheit der kleinen Mocha nicht wahrgenommen zu haben und sann einen kurzen Moment nach, als würde sie nach den richtigen Worten suchen.
„Es geht um die Verlesung der Einladungen durch Lorendas, verehrte Hoheit. Ich bin sicher, dass es von Wichtigkeit ist, wenn ihr wisst, wer mir eine Einladung schickt, ob, und wann ich sie annehme. Aber es ist völlig unnötig, da ich so gut wie keine Einladung annehme.“
Fiacha nickte. Ja, sie hatte schon vernommen, dass Chat Bidu keinerlei Interesse an den höfischen Feiern hegte, wusste aber auch von einigen fleißigen Fianna, dass eben diese Druidin auch mit Familien zu tun hatte, deren Bosheiten nicht zu unterschätzen waren.
„Ich kann durchaus auf mich aufpassen, und Ihr wisst, dass es immer irgendein Leibwächter Eures Hofes gibt, der weiß, wo ich bin.“
Fiacha lächelte.
„Und was ist mit den Fianna, mit denen Ihr Euch regelmäßig einen Wettstreit leistet? Sie sind zu Eurem Schutze da, nicht, dass Ihr alles versucht, sie in die Irre zu führen.“
Die Druidin kaute nervös auf ihrer Unterlippe. Die Fianna waren wirklich nicht gerade ihr Lieblingsthema.
„Aha! Erwischt!“ lachte die kleine Mocha. „Ich mache Euch ein Angebot! Ein oder besser zwei Fianna, die Ihr Euch aussucht, die Eures Vertrauens würdig sind und verschwiegen genug, um Eure privaten Dinge für sich zu behalten. Wenn es da etwas gibt, “ fügte sie schnell hinzu.
Chat Bidu nickte widerwillig. Sie war klug genug, um zu wissen, dass die Sorge echt und berechtigt war.
„Na also, war doch gar nicht so schwer, mambach, “ lachte Fiacha und strahlte sie an. „Bis auf.., “ ihr Gesicht verdüsterte sich ein wenig, „bis auf, dass ich Euch gerne viel öfter um mich haben würde.“
Abrupt blieb die kleine Druidin stehen.
„Hoheit, Ihr könnt mich jederzeit rufen, wenn es Euch beliebt.“
„Klar…“ murmelte Fiacha, und mit einemmal schien die gute Stimmung der jungen Mocha zu schwinden. Chat Bidu fühlte sich wirklich elend. Nach der Begegnung am See hatte sie die kleine Mocha gemieden, soweit es nur ging. Sie träumte manchmal von ihren zarten Umarmungen und leidenschaftlichen Küssen, aber es war falsch! Eine Liebesaffäre mit der Gemahlin des Hügelprinzen war das letzte, was sie sich antun wollte, - aber es schmerzte. Sie schämte sich ihrer Gefühle und noch mehr ihrer Schwäche am See. Nie hätte sie es so weit kommen lassen dürfen! Oh, welch schändlich schwacher Charakter. Fiacha hatte sie nie darauf angesprochen, und das war gut so, denn sie hätte sie vielleicht verletzen müssen, aus Selbstschutz, - zu ihrem Schutz.
„Hier am Hofe seid Ihr noch viel schwieriger zu fassen als sonst wo! Ich weiß durchaus, dass Ihr meinen Mann, den Hügelprinzen nicht, - wie soll ich es sagen - …...mögt?“
Der Schock war der Druidin ins Gesicht geschrieben. Chat Bidu ließ sich auf die Knie fallen, und der feine Staub wirbelte kurz auf, um sich auf ihrem Gewand niederzulassen.
Die Gedanken der Druidin rasten durch ihren Kopf. Arkan nicht mögen? Allein der Gedanke einen Herrscher nicht leiden zu können, hatte schon so manchem unvorsichtigen Höfling in Tir Thuatha den Kopf gekostet.
Oder war es das Missfallen der Hügelprinzessin, dass ihr Gatte Chat Bidu schon seit ihrer Ankunft im Palast ganz offen den Hof machte? Oder vielleicht die Tatsache, dass sie Arkans Annäherungsversuche immer abgelehnt hatte? Bei allen Göttern! Vielleicht war es die Rache dafür, dass sie Fiacha am See alleine gelassen hatte…

Fiacha war erschüttert. Was war passiert? Warum hatten ihre Worte die Druidin so entsetzt und offensichtlich in große Furcht versetzt? Bei Moch, manchmal machte sie einfach alles falsch. So stand sie eine Weile, den Blick auf die im Staub kniende Chat Bidu gerichtet, die es anscheinend nicht wagte, ihren Kopf zu heben, gleich einem Verbrecher, - einem Verräter.
Bei Moch! So hatte sie das doch nicht gemeint!

„Oh, bitte, ehrwürdige Chat Bidu, erhebt Euch! Ihr habt mich nicht richtig verstanden. Niemals würde ich es auch nur in Erwägung ziehen, dass Ihr dem Hause Dhai nicht wohl gesonnen und loyal gegenübersteht! Bitte, verzeiht meine ungeschickte Wahl der Worte.“
Zaghaft zog sie die Druidin hoch und klopfte, immer noch Entschuldigungen murmelnd, unbeholfen das Gewand der anderen Frau ab, ohne zu bemerken, dass sie den feinen Staub damit nur noch mehr aufwirbelte und beide von einer großen Wolke umfasst wurden.
„Bitte, ich glaube es reicht, “ hustete die Druidin und schob Fiacha vorsichtig weg.
Für eine kurze Zeit standen sich die beiden Frauen schweigend gegenüber.
Das Gesicht der Druidin wirkte wie gepudert, und in ihrer regungslosen Haltung war sie den Statuen des Gartens sehr ähnlich. Nur der Glanz ihrer grünen Augen verriet sie als lebendes Wesen.
Fiacha kicherte ob ihres Vergleichs.
„Ich glaube, wir sollten uns ein Bad gönnen, meint Ihr nicht auch?“ Sie hakte sich, ohne auf eine Antwort zu warten, bei Chat Bidu ein und zog sie weiter des Weges. „Ich lade Euch ein, auf ein erfrischendes Bad mit kühlem Wein und saftigem Obst.“
Dass die Druidin schwieg, störte Fiacha nicht. Sie hatte das Gefühl, einiges wieder gut machen zu müssen, - und das würde sie.

***

Die beiden Frauen hatten kaum einen Fuß in die Vorhalle des Kristallpalastes gesetzt, als schon Zofen und Diener herbeieilten, um Anweisungen entgegen zu nehmen.
„Ein Bad, zur Säuberung und Entspannung, Erfrischungen…..“ sagte Fiacha, ohne ihren Schritt zu verlangsamen.
„Und offensichtlich ein neues Gewand!“ erklang eine melodische Stimme.
Leiahna, die ernannte mystress ghan lliain(3), trat, sichtlich empört über den Zustand des neuen Gewandes ihrer Herrin, aus einem Seitengang hervor und schloss sich, ohne der Druidin einen Blick zu zollen, dem Tempo ihrer Gebieterin an. Sie war für eine Mocha von auffallend großem Wuchs, und ihre Kleidung, als auch ihre Bewegungen waren eher die einer Königin, als die einer Dienerin.
Fiacha schenkte ihr ein breites Lächeln und wandte sich immer noch gehend um:
„Kommt schon, verehrte Chat Bidu, folgt mir einfach!“
Der ganze Tross endete schließlich in einem marmorierten Saal, in dessen Mittelpunkt ein großes, nierenförmiges Becken im Boden eingelassen war. Eine Säule spie mit dumpfem Rauschen einen breiten Wasserschwall in das gefüllte Becken, aber es schien nicht überzulaufen. Liegestätten, bestückt mit kostbar bezogenen Kissen, luden unter großen Pflanzen zur Entspannung ein. Die Luft war feucht und angenehm warm, und Düfte von teuren Ölen schmeichelten den Sinnen.
Fiacha war entkleidet und in das Becken getaucht, bevor Chat Bidu sich einen Überblick verschafft hatte. Zwei Dienerinnen warteten auf ihre verschmutzte Robe und sahen sie erwartungsvoll an.
„Bitte, mambach, nun kommt schon hinein. Das Bad wird Euch gut tun.“
Langsam trat die Druidin an den Becken-rand und erstarrte. Tausende Blasen hoben sich im wilden Tanz aus dem Wasser der Oberfläche entgegen und ließen den Eindruck von kochendem Wasser entstehen.
Fiacha schnippte ihr etwas Wasser entgegen und lachte.
„Keine Sorge, Chat Bidu, es ist nur Luft!“
Schnell öffnete die Druidin die Verschnürung ihres Gewandes und huschte katzengleich heraus, um sich mit der gleichen fließenden Bewegung schnell in das Becken gleiten zu lassen.
Das Wasser war angenehm warm, und die Luftblasen, die vom Boden des Beckens hervorsprudelten, waren so kräftig, dass sie spüren konnte, wie ihr ganzer Körper massiert wurde. Sie schloss ihre Augen, und für einen Moment waren da nur das Rauschen des Wasserspeiers und die brodelnde Liebkosung des Wassers.

***

Als sie ihre Augen wieder öffnete, war Fiacha nicht mehr am ursprünglichen Platz. Chat Bidu fand sie direkt unter dem breiten Wasserschwall wieder, der ihre zarten Schultern dermaßen massierte, dass sie schon eine rote Farbe angenommen hatten.
„Das solltet Ihr auch versuchen, verehrte Chat Bidu, es lockert die Muskeln ungemein. Oder ist Euch ein Kneten durch geschickte Hände lieber?“
Die Druidin richtete sich gerade soweit auf, dass ihre Schultern nicht mehr vom Wasser bedeckt wurden.
„Habt dank, Hoheit, aber dies ist Entspannung genug für mich.“
„Wisst Ihr, mambach,“ sagte Fiacha, während sie sich wieder zum Beckenrand begab, „ich denke, Ihr seid einfach viel zu bescheiden. Es ist wahrlich schwer, Euch eine Freude zu bereiten. Wie wäre es mit einem neuen Gewand? Vielleicht eines für den Tanz mit jemanden?“
Chat Bidu lächelte verkrampft. Diese ganze ungeteilte Aufmerksamkeit war ihr unangenehm. Viel zu schnell konnte es innerhalb des Palastes zu Gerüchten kommen.
„Es ist mir beinahe peinlich, auch dieses großzügige Angebot ablehnen zu müssen, aber ich tanze nicht, Hoheit.“
„Nie? Habt Ihr keinen Tanzgefährten?“ Fiachas Augen weiteten sich ungläubig. „Nicht einmal auf den wenigen Festen, an denen Ihr teilnehmt? Warum nicht? An Angeboten kann es doch wohl nicht mangeln. Oder bemerkt Ihr sie vielleicht gar nicht?“
Der Blick der kleinen Mocha ruhte auf Chat Bidu, als wolle sie ihr Gegenüber besser abschätzen. „Heißt das, dass Ihr niemanden habt, der Euch begleitet?“
„Ihr spracht gerade noch vom Tanz, Hoheit, und jetzt seid Ihr plötzlich bei einem, …einem….“
„Geliebten, ja, oder Geliebte. Bei jemandem, der mit Euch gemeinsam des Weges geht.“
Chat Bidu war völlig verwirrt, und ihr Gesichtsausdruck blieb der kleinen Hügelfrau nicht verborgen, und sie lächelte die Druidin freundschaftlich an.
„Verzeiht, Hoheit, aber Ihr müsst verstehen, dass ich Euren Gedanken nicht folgen kann!“ entschuldigte sich diese in einem leicht gereizten Tonfall.
Fiacha lachte.
„Verehrte Chat Bidu, es sind nicht meine Gedanken, die ihr nicht versteht, als offenbar vielmehr unsere Sprache. Tanzen ist wundervoll im Klang der Trommeln und Flöten, aber mit jemandem zu tanzen ist das Schönste! Wir tanzen gemeinsam, - aber mein Tanzgefährte ist der, der mit mir gemeinsam durch das Leben geht, - an meiner Seite.“
Chat Bidus Gedanken wirbelten durcheinander. Die Schrift der Mocha war schon kompliziert, aber ihre Redewendungen waren nicht minder schwer verständlich.
„Also tanzt ihr durch das Leben?“ fragte sie vorsichtig.
Fiachas Augen funkelten belustigt.
„Ja, aber nur mit den richtigen Tanzpartnern! Und wir Tuach na Moch tanzen oft auf mehreren Hochzeiten. Kommt, wir essen ein wenig von den köstlichen Früchten…“
Die Druidin schüttelte den Kopf. „Habt dank, Hoheit, aber ich würde gerne noch ein wenig Zeit in der Bibliothek verbringen.“
Fiacha seufzte und nickte. Für einen kurzen Augenblick folgten ihre Augen einem Wassertropfen, der sich langsam vom schlanken Hals zur Brust der Frau bewegte, und die Erinnerung an die zarte Wärme ihrer Haut weckte. Sie sah der Druidin zu, wie sie das Becken verließ und fast schüchtern die Tücher zum trocknen schnell um ihren Körper schlang. Sie war immer noch braungebrannt, und die Mocha fragte sich, wie und wann diese zurückgezogene Frau je ein Sonnenbad genoss. So oft konnte sie nicht am See sein.
Chat Bidu zog ihr Gewand, das ihr frisch ausgebürstet überreicht wurde, wieder an. Sie verneigte sich noch einmal vor Fiacha, die gerade, ohne den Blick von der Druidin zu nehmen, genüsslich in eine Frucht biss und ihr schelmisch zuzwinkernd sagte:
„Wenn Ihr irgendwann bereit sein solltet, mit jemandem den Tanz zu wagen, so lasst es mich bitte wissen!“

 

Übersetzung:
Mambach(1) = kleine Mutter
Tanzgefährte(2) = ein(e) Partner(in) oder Geliebte(r) für eine sehr lange Zeit oder für das ganze Leben
mystress ghan lliain(3) = Oberhofmeisterin (Mistress of the Robes)

 

 

Missverständnisse
Chat Bidu
Britta Durchleuchter

 

Zurück



Stand:30.09.2010