'Es war ein Fehler!' dachte sich Feach McLlyr, während er mürrisch auf seine Hände schaute. Die Schwielen, die er sich durch jahrelange Kampfübungen verdient hatte, begannen zu verschwinden und weicher zu werden, was ihn nicht unbedingt glücklicher stimmt. Er begann zu verweichlichen. Und die Spötteleien seiner Frau Falena, er habe in der letzten Zeit einiges an Gewicht zugelegt, seit er den Thron bestiegen habe, begannen ihn insgeheim wütend zu machen. Feach sehnte sich nach seinem Schwert, seinen Kampfübungen und seiner Garde zurück.
Mißmutig schaute er seinen Vater, Arkan e'dhelcú, von der Seite an. Feach bemerkte auch, daß dieser im Gegensatz zu ihm selbst in der letzten Zeit sogar an Gewicht verloren hatte, - und es stimmte ihn noch mißmutiger! Arkans neue, junge Frau Fiacha schien seinem Vater wirklich gut zu tun.
'Es war ein Fehler, ihm diesen Vorschlag zu machen.'
Er und Arkan teilten sich seit dem Fest der Völker den Thron des Hügelreiches, - und es wurde eng auf diesem Thron, im wahrsten Sinne des Wortes!
Damals glaubte Feach, es wäre eine gute Idee gewesen, seinem Vater die Hälfte des Thrones anzubieten. Das Volk (und nicht nur das eigene, sondern auch die Völker der Oberwelt) war verwirrt, denn sie wußten nunmehr nicht, wer im Hügelreich das Sagen hatte.
Die beiden Hügelprinzen gaben, wie so oft, eine Audienz im Thronsaal des Kristallpalastes. Und wie so oft, waren wieder einige Tuach na Moch zu ihnen gekommen, um ihre Anliegen vorzutragen.
Und wie so oft seit dem Fest der Völker, standen sie verwirrt vor dem Thron der Hügelprinzen und konnten sich nicht entscheiden, wem sie nun ihr Anliegen vortragen sollten. Arkan e'dhelcú? Den kannte man, der war doch eigentlich schon immer Hügelprinz gewesen, oder? Feach MacLlyr e'dhelcú? Er war der Sohn Arkans und somit auch rechtmäßiger Thronerbe. Aber solange es Arkan noch gab, warum saß der jüngere e'dhelcú denn schon auf dem Thron? Sollte man ihm jetzt das Anliegen vortragen?
Und wenn dann ein Tuach na Moch es endlich geschafft hatte, einem der beiden sein Anliegen vorzutragen, - mußte er feststellen, daß es länger als sonst dauerte, bis die Hügelprinzen zu einer Entscheidung kamen, denn natürlich wurde die Angelegenheit vorher diskutiert und eingehend besprochen.
Das einzige, das Feach im Moment noch einigermaßen gute Laune bereiten konnte, war ein Vertrag, den er in der Tasche bei sich trug
Während Feach seinen düsteren Gedanken nachging, rutschte Arkan unruhig auf dem Thron hin und her, ebenfalls in Gedanken versunken. Er überlegte, wie er seinem Sohn erklären sollte, daß der Kaffa-Import um mindestens ein Drittel gestiegen war, seit die thuathische Druidin Chat Bidu zu Gast im Kristallpalast war. Chat Bidu trank das Zeugs in Mengen, - und Arkan war bemüht, auf sie den besten Eindruck zu machen. Und das kostete!
Und eigentlich hasste Arkan es, jede noch so kleine Angelegenheit mit seinem Sohn durchsprechen zu müssen. Vor allem, wenn es um Finanzen ging. Es war damals viel einfacher gewesen, als er die Entscheidungen noch alleine getroffen hatte. Nicht genug, daß seine junge Frau ihm immer wieder überall hineinredete, nein, jetzt mußte er auch noch seinen Sohn wegen jeder Kleinigkeit konsultieren.
Wieder rutschte Arkan auf dem glatten Kristallthron hin und her, und Feach, der unmittelbar neben ihm saß, bemühte sich das Gleichgewicht zu bewahren.
'Bei Moch, Anamoch und Misg,' betete dieser innerlich, 'Hoffentlich läßt er nicht gleich einen fahren!'
"Weißt du, Feach, mein Sohn," sagte Arkan plötzlich laut, so daß alle im Thronsaal es hören konnten, "als du sagtest, das könnten wir mit einer halben Arschbacke aussitzen, hatte ich mir das aber ganz anders vorgestellt." Und mit diesen Worten setzte er sich wieder zurecht.
Feach sank in sich zusammen und bedeckte die Augen mit einer Hand. In diesem Moment jedoch bemerkte er plötzlich einen kräftigen Schubs von links, - und saß auf dem Boden!
Arkan, der nun die gesamte Sitzfläche des Thrones eingenommen hatte, grinste auf seinen Sohn hinunter.
"Wie heißt es doch so schön, mein Sohn? Der Klügere gibt nach!"
Nun konnte Arkan nicht mehr an sich halten und lachte laut los, wobei er sich vergnügt auf die Schenkel schlug. Der Thron gehörte wieder ihm ganz allein!
Feach jedoch machte gute Miene zum bösen Spiel und grinste ebenfalls. So schmerzhaft der "Fall" auch gewesen war, und er rieb sich sein Hinterteil, - er war die Verantwortung endlich wieder los! Nun konnte er sich endlich wieder seiner Garde zuwenden. So unglücklich war er über dieses kleine Mißgeschick gar nicht, und er grinste seinen Vater nur an.
Sich den nicht vorhanden Staub von seiner Kleidung klopfend, - denn es war eigentlich sehr sauber im Kristallpalast - stand Feach McLlyr stolz erhobenen Hauptes wieder vom Boden auf.
Schade, Astragon...!
In diesem Moment trat Jethro Cunack, der Halbbruder Arkans, an den Thron heran. Er hatte offensichtlich schon einige Zeit an der Tür gestanden und das Schauspiel beobachtet. Er sah allerdings nicht gut heute aus, und Feach wußte auch warum. Doch der "gefallene Hügelprinz" empfand nur Schadenfreude und keinerlei Mitleid für seinen Onkel. Jethro hatte eine kurze Zeit im Kerker des Kristallpalastes verbracht, und danach von Feach Neuigkeiten erfahren, die ihm, hätte er sie nicht schon gehabt, graue Haare bereitet hätten. Und Jethro sah aus, als hätte er nächtelang nicht geschlafen, - was möglicherweise auch der Wahrheit entsprach. Denn er befand sich seit dem Fest der Völker in ziemlichen Schwierigkeiten.
"Brüderchen," grüßte ihn Arkan fröhlich. Jethro grinste seinen Bruder schief an.
"Sei gegrüßt, Arkan!" Und er nickte dem Hügelprinzen zu. Dann wandte er sich an Feach.
"Feach, mein Neffe," begann er, "wie ich sehe brauchst du wieder neue Aufgaben, jetzt, da du nicht mehr auf dem Thron sitzt."
Feach McLlyr sah seinen Onkel zunächst erstaunt an. Dann wurden seine Augen zu kleinen Schlitzen.
"Onkel Jethro, ich habe keine Ahnung, was du meinst."
"Nun," erwiderte dieser, "ich hätte da eine neue Aufgabe für dich
."
Doch bevor er den Satz beenden konnte, unterbrach ihn sein Neffe.
"Eine Aufgabe für mich? Liebster Onkel, DU kannst mir keine Aufgaben zuteilen, denn du gehörst mir. Ich habe dich gekauft, erinnerst du dich? Und demnach
."
"Gekauft?" rief Arkan dazwischen. "Jethro gekauft?"
Das Grinsen auf Jethros Gesicht verschwand, und seine ganze Körperhaltung verriet, wie unangenehm ihm die Situation jetzt war.
"Das müßt ihr mir aber jetzt genauer erklären," verlangte Arkan.
"Nun, Vater," antwortete Feach und nestelte an seiner Tasche herum, "hier habe ich einen Vertrag, in dem ich nunmehr der Eigentümer dieses Mannes bin," und mit einem breiten Grinsen deutete er auf Jethro.
Feach rollte das Papier auf und begann vorzulesen:
Während Feach die Worte des Vertrages verlas, schaute Jethro unablässig auf seine Stiefel. Die Situation war ihm peinlich, und seine Gedanken rasten. Er hoffte, daß sein Plan funktionierte
Arkan hörte interessiert, aber auch erstaunt zu. 'Woher,' dachte er bei sich, 'weiß Feach von Raju Laivuri?' Er vermutete jedoch, daß den Spionen seines Sohnes nichts entging, und er würde in Zukunft etwas vorsichtiger sein müssen, wenn er etwas vor ihm zu verbergen haben sollte.
'...daß Raju Laivuri keinesfalls die Stadt Shar-Tok jemals wieder betritt,' wiederholte Jethro in Gedanken die Worte, - und ihm kam eine Idee!
Nachdem Feach geendet hatte, mit einem offensichtlich zufriedenen Lächeln im Gesicht, schaute Jethro auf, räusperte sich und sprach:
"Feach McLlyr e'dhelcú, kraft meines Amtes als Stadtherr von Shar-Tok ernenne ich dich hiermit zu meinem Nachfolger."
Gespannt wartete er auf die Reaktion seines Neffen. Er wußte, daß dies ein verlockendes Angebot war. Shar-Tok war eine Stadt des Wasservolkes, seine Stadt auf dem Land, und er gab sie nur schweren Herzens ab. Aber insgeheim hoffte er, Feach würde dieses Angebot annehmen, und somit hätte er seinem Gegenspieler Astragon ein Kuckucksei ins Nest gesetzt. Er würde einen Tuach na Moch zum Stadtherr von Shar-Tok machen. Er würde, so hoffte er, das Unglaubliche wahr machen.
Jethro fragte Feach: "Nimmst du diese Aufgabe an?"
Sein Neffe zögerte. Aber nicht lange, denn er hatte Jethros Plan durchschaut.
Mit einem breiten Grinsen antwortete er laut und deutlich: "Ja, ich nehme an! Denn eigentlich gehört die Stadt ja eh schon mir, dadurch daß du ja mein Eigentum bist."
Arkan schaute abwechselnd seinen Sohn und seinen Halbbruder an, - und begann zu kichern.
Und Jethro lächelte höchst zufrieden und dachte: 'Tja, schade, Astragon
!'
Epilog
Fiacha näherte sich vorsichtig den drei Männern, die alle mal Hügelprinzen gewesen waren und seitens einiger Spötter nunmehr die "Ex-Hügelprinzen-Fraktion" genannt wurden. Sie ließen sich von Bediensteten ihre Becher mit Bier füllen und feierten ihre Triumpfe: Arkan, der den Thron zurück"erobert" hatte, Jethro, der seinem Gegenspieler in der Oberwelt Astragon nun eins ausgewischt hatte, und Feach, der schon Pläne schmiedete, wie er die Stadt Shar-Tok umbauen lassen wollte. Sie waren mit sich zufrieden.
Fiacha tippte ihrem Stiefsohn auf die Schulter und fragte:
"Feach, darf ich den Vertrag mal sehen? Ist der denn auch wirklich echt?"
"Aber klar, Stiefmütterchen," lachte er fröhlich, fest im Glauben, einen guten Witz gemacht zu haben, und er reichte ihr das Papier.
Fiacha nahm es lächelnd entgegen, entrollte es und studierte die Worte des Vertrages. Ihr Lächeln wurde breiter, als sie den Inhalt las, - und entfernte sich mit dem Vertrag in der Hand.
Feach war damit beschäftigt, seinem Vater und Onkel zu erklären, daß er zuerst die Stadt umbenennen würde, und zwar in "Cor Shar-Tok", und dann wolle er sie in einen Kurort umbauen lassen, wo er Kurtaxe einkassieren könne, denn Shar-Tok lag an einem Meer.
Nur Jethro hob den Kopf und schaute der jungen Hügelfrau mißtrauisch hinterher.
"Feach," sagte er: "Du hast ihr doch nicht den Originalvertrag gegeben, oder?"
Feach, offensichtlich schon etwas in Bierlaune und glücklich über den guten Ausgang der Situation, schaute ihn mit glänzenden Augen verblüfft an:
"Doch, wieso?"
Und Jethro Cunack - wie so oft schon, wenn er im Reiche seines Bruders verweilte - bedeckte sich Böses ahnend die Augen mit der linken Hand (in der rechten hielt er ja den Becher) und schüttelte den Kopf.
Schade, Jethro .
Schade
Fiacha
Carolin Gröhl