Es war an einem der wenigen, wirklich milden Tagen Tir Thuatas, in einer Schänke nahe der Feste Dire Faiden. Die Bauern hatten ihr Tagewerk verrichtet und fanden sich nun hier im steinernen Kreis zu einer gemütlichen Runde zusammen, um den Tag ausklingen zu lassen. Die Luft war erfüllt vom Scherzen der Schankmaiden, dem Lachen rauher Landwirtskehlen und dem Klingen der Becher, die, gefüllt mit schaumigen Bier, aneinander gestoßen wurden.
Plötzlich wurde die Tür aufgestoßen. Ein Mann betrat die Schankstube, dessen Alter nur schwerlich zu bestimmen war. Zwar hatte er den Wuchs eines Knaben, jedoch strafte der sprießende Bart und die Narben in seinem Gesicht diesem Eindruck lügen. Wohl wissend daß alle Augen ihm folgten ging der Junge... (der Mann...?) ruhigen Schrittes auf die Theke zu. Leicht schlug ein kurzes Schwert gegen die kräftigen Schenkel des Neuankömmlings.
"Wirt," hob er an zu sprechen, "Macht den Mund zu und füllt mir einen guten Krug. Bei Moch, die Straßen hier sind staubig und mich verlangt es nach deiner Labsal!"
Der Angesprochene tat wie ihm geheißen, wunderte sich aber insgeheim über die merkwürdige Rede des Fremden. Dieser zwinkerte dem Wirt verschmitzt zu, hob den Trunk an die Lippen und leerte ihn in einem Zug. Genießerisch schloß er für einen Moment die Augen.
"Das hat gutgetan.. füllt erneut," verlangte er fröhlich. Dann wandte er sich um zu den Menschen in der Schänke. Erwartungsvoll sahen sie ihn an.
Der Fremde hob seinen Becher. "Ich möchte einen Toast aussprechen: Auf Euch ihr braven Leute, die ihr euch tagaus, tagein auf der Scholle abrackert und dem Boden die Ernte ertrotzt. Mag der Krieger auch ein Meister des Schwertes sein, erprobt in heroischen Kämpfen und Schlachten, so ist er doch ohne euch verloren. Denn selbst der stärkste Recke und der edelste Fürst, kann nicht kämpfen, regieren noch leben ohne das Brot welches ihr backt oder den Erträgen eurer Felder. So trinke ich auf Euch, ihr Männer und Frauen."
Und erneut stürzte er das Bier in einem Zug. Beifälliges Gemurmel und Nicken war das Echo dieser Rede. Ein alter Bauer, dessen Hände man die harte Arbeit vieler Jahre deutlich ansah, erhob sich. "Wohl gesprochen , Wanderer. Nur selten erfreuen Reden wie die Eure unsere Gemüter. So klingt sie um so süßer in unseren Ohren. Denn oftmals bekommen wir statt guter Worte nur Prügel von den hohen Herren."
Der Fremde, dem die barbarische, widerliche Unsitte des Bauerndreschens wohlbekannt war, schürzte verächtlich die Lippen. " Man sollte die Hand die einen füttert nicht schlagen, " sagte er laut, was mit johlender Zustimmung quittiert wurde. Wieder ergriff der Bauer das Wort. "Ihr wißt mit Worten wohl umzugehen. Wir bitten Euch, setzt Euch zu uns und erzählt uns von den Ländern die Ihr saht. Malcom! Gib dem Herrn von Deinem besten Bier und Fleisch. Heute soll er uns Geschichten erzählen."
"Gern nehme ich die Einladung an, ihr guten Leute." Der Mann begab sich zwischen die Bauern an den Kamin, in dem mittlerweile ein munteres Feuer prasselte, nahm einen Schluck Bier und starrte dann sinnierend in die tanzenden Flammen.
"Ich möchte euch von einer Stadt erzählen. Einer Stadt weit von hier... Einer Stadt die zu meinem Leben geworden ist. Ob es sie nun wirklich gibt, oder ob ich sie nur in meinen Träumen sehe, wenn ich allein in der Wildnis am Feuer sitze und meine Wünsche und Sehnsüchte mit den aufstiebenden Funken zu den Göttern sende... nun, dies mögt ihr selbst bestimmen. So hört denn meine Mär.
***
"Ich sehe einen Wald. Urtümlich und mächtig in seinem Wuchs. Himmelhohe Bäume, Eichen, Eschen und immergrüne Tannen. Federnd gibt der Boden nach unter meinem Tritt und der Gesang tausender Vögel erfreut mein Herz. Irgendwo murmelt geheimnisvoll ein Bach, bringt Botschaft von weit her. Und manchmal sogar, vermeine ich seine Sprache zu verstehen. Rotwild kreuzt meinen Weg und Meister Lampe beäugt mich mißtrauisch mit zuckendem Näschen. Schmetterlinge gaukeln vor mir her und so führt mich mein Weg zu den Ufern eines träge dahinfließenden Stromes. Seine rotbraunen Wasser wälzt er zu Tal, meinem Ziele entgegen.
Urplötzlich sehe ich es vor mir. Wie von einer mächtigen Axt abgetrennt endet For´ell, der Forst den ich beschrieb und gibt den Blick auf ein liebliches Tal frei.
Und inmitten dieser Mulde liegt Cor Dhai, meine Königin.
Cor Dhai, die Stadt der tausend Türme. Cor Dhai, filigrane, geländerlose Brücken spannen sich zwischen schlanken Türmen, gleich zarten Gespinsten. Bis zu mir hinauf schallt das Leben, daß hinter den Türen pulsiert und sich in die Straßen Plätze der Stadt.
Ich folge dem roten Fluß, der durch die Metropole seine Wasser führt und sich in ihrem Zentrum derart verbreitert, so daß in seinem Lauf eine Insel entstanden ist, die den Palast des Prinzen trägt. Und wenn Sie mich verschlingt, meine Königin, so lacht mir das Herz in der Brust. Denn ich bin endlich daheim.
Doch nicht nur von Schönheit und Glanz will ich berichten. Denn wo Licht ist, da gibt es auch Schatten. Und nicht jeder ist vom Leben gerecht behandelt worden. Auch hier gibt es Viertel, die den Gestrandeten Wohnung bieten. Den Dieben und Bettlern welche ebenfalls in Cor Dhai ihre Bleibe finden. Der König der Bettler hält hier Hof. Mit ihm sprach ich einst; ein wackerer Mann und treuer Freund.
Doch wollte ich von Glanz und Schönheit erzählen. Stolz schreitet sie einher, die Garde des Prinzen, wenn sie in den Straßen der Stadt patroulliert damit die Bürger beruhigt schlafen können.
Freunde, stellt euch eine Stadt vor, ohne Mauer und trutzigen Befestigungen. Denn der Krieg kam nie nach Cor Dhai. Doch kommt nun nicht auf die irrige Annahme, sie wäre ein wehrloser und schwacher Säugling. Ihr müßt wissen, wenn meine Königin nicht gefunden werden will, so ist es ihr möglich sich den gierigen Blicken von Angreifern zu entziehen. Und Moch hält schützend seine Hand über sein Juwel.
Es geschah schon, daß junge Männer ein Heer rüsteten, die Stadt zu nehmen und ihrer Schätze zu berauben... Sie kehrten zurück als zahnlose Greise, unverrichteter Dinge..." Der Fremde hielt einen Augenblick inne in seiner Mär, um dankend den Teller dampfenden Fleisches entgegenzunehmen. Dann tat er noch einen guten Schluck aus seinem Becher.
" Und Bauern," ließ sich einer der Anwesenden vernehmen. "Gibt es auch Bauern in dieser Stadt? Sie muß doch ernährt werden.."
Der Erzähler kostete von dem Fleisch, verdrehte verzückt die Augen und wandte sich an die Magd, die ihm den Teller gebracht hatte. "Ein Lob eurer Kochkunst, holde Frau. Der Braten ist eines Fürsten würdig."
Ob dieses Lobes vor Freude errötend, dankte sie stumm und ließ sich nahe dem Fremden nieder um weiter seiner Rede zu lauschen. Immer darauf achtend, daß sein Krug wohl gefüllt bliebe.
"Bauern...," sagte er kauend, "Natürlich gibt es Bauern. Nicht in der Stadt, gewiß, denn bei all ihrer Pracht, so reicht ihr Platz bei weitem nicht aus um auch noch den Feldern Raum zu bieten."
Sein verschmitztes Lächeln bei diesen Worten löste eine Böe der Heiterkeit unter den Lauschenden aus. Als sich das Gelächter gelegt hatte setzte er seinen Bericht fort. "Ah, ihr solltet es sehen, wenn es Markttag ist in Cor Dhai und die Bauern ihre Waren zur Stadt bringen um sie dort zu veräußern. Hei, was geht da für ein Feilschen und Handeln los. Alle versammeln sich zwischen den bunten Ständen, schwatzen, lachen, kaufen und verkaufen. Wobei es nicht unbedingt darauf ankommt ein möglichst gutes Geschäft zu machen. Nein, es ist das Feilschen an sich, daß sie lieben und ihre Sinne beflügelt.
Doch auch andere Leute sind auf dem Markt vertreten. Und manch einer geht an diesem Tag seines Geldbeutels verlustig. Denn die Diebe Cor Dhais sind geschickt. Und am Abend, wenn die Buden und Stände geschlossen werden, wird Platz gemacht, für die Gaukler, den Artisten und Straßenmusikanten. Gespenstisch beleuchten Feuerspucker und blakende Fackeln die Kunststücke der Akrobaten. Sänger beschwören mit ihren Weisen die Vergangenheit hervor und die Illusionisten vollenden mit ihren Tricks die Vorführungen der Musikanten. Narren machen ihre Witze über die Obrigkeit. Man sagt, daß selbst Arkan E´dhelcu, der Prinz Cor Dhais, Tränen über die Scherze der Spaßmacher lacht, die über ihn und sein Haus gerissen werden. Oftmals mischt sich Arkan unter das Volk; denn er liebt die Berührung mit dem brodelndem Leben. Doch auch solche Abende neigen sich immer irgendwann gen Ende und viele Eheleute haben sich in solchen Nächten gefunden. Und wenn die rosige Dämmerung den neuen Tag ankündigt, gibt es nur wenige die sich allein zur Ruhe begeben haben...
Weiter geht mein Weg durch die Straßen der Stadt. Einige der Bauern sind ebenfalls noch auf den Beinen. Sie verlassen Cor Dhai, kehren zurück zu ihren Familien, Gehöften und fruchtbaren Tälern.
Durch das Viertel der Gilden lenke ich meinen Schritt. Hier gibt es alles zu erstehen was das Herz begehrt. Back- und Zuckerwerk, Lederarbeiten, Kleider und Schmiedekunst. Eine farbenfrohe Vielfalt bietet sich dem Auge. So groß ist diese Pracht, daß ich sie nicht in einfache Worte zu fassen vermag. Und dann erreiche ich die Brücke, die in majestätischem Bogen, den roten Strom überspannt. Sereg Ran so lautet der Name des Flusses. Dies bedeutet: blutender Wanderer. Ein düsterer Name, nicht wahr?" Der Erzähler lächelte dem Mädchen an seiner Seite freundlich zu, die bleich geworden war und nervös auf ihrer Unterlippe kaute.
"Hab keine Furcht, mein Kind," beruhigte er sie, während er gedankenverloren ihre Hand streichelte. Da stutzte er und sah sie groß an. Deutlich verspürte er die feine Aura des sich regende Lebens in ihrem jugendlichem Leib. Der zornige Blick des Wirtes, offensichtlich ihr Vater, sagte dem Fremden viel. Auch das abfällige Gebaren der Übrigen wußte der Wanderer zu deuten. Sie verachteten das Mädchen ob seiner unehelichen Frucht unter ihrem Herzen.
"Ich beglückwünsche euch, junge Frau. Wann wird das Kind das Licht Magiras erblicken?"
Allgemeines Raunen und empörtes Gemurmel war die Reaktion der Anwesenden.
Schamrot schrak das Mädchen zurück, ihr hübsches Gesicht in ihren feingliedrigen Fingern verborgen. Tröstend nahm der Fremde ihre zarten Hände in die Seinen und blickte ihr fest in die blattgrünen Augen. Gerade wollte er das Wort an sie richten, da wurde er rüde vom Wirt am Sprechen gehindert. "Warum mußtet Ihr mich an die Schande erinnern, die dies Flittchen über mich und mein Haus gebracht hat? Wer weiß bei welchem Söldner sie die Beine breit gemacht hat... nun, jetzt hat sie ihre Quittung." Er schnaufte vor unterdrückter Wut.
Da sprach der Fremde leise aber bestimmend: "Wie kann ein Leben, aus Liebe geboren, einem Manne überhaupt einem Menschen zur Schande gereichen? Mag sein daß in diesem Ungeborenen die Seele eines Mannes weiterlebt, der schon in der fremden Erde eines namenlosen Schlachtfeldes sein letztes Lager gefunden hat. Was also ist so verwerflich an einem neuen Leben? Ihr solltet euch vielmehr glücklich schätzen, zu eurer Tochter noch ein weiteres Kind geschenkt zu bekommen."
Zornig funkelte der Wirt den Mann an. "Schöne Worte. Aber sie stopfen kein hungriges Maul. Ich wünschte am Tage ihrer Niederkunft käme das Hügelvolk und nähme den Balg mit sich!"
Diese Worte schienen den Fremden gleich einem vergifteten Pfeil direkt ins Herz zu fahren. Langsam wandte er sich um zu dem Erbosten und mit gefährlich leiser, kristallklarer und doch eiskalter Stimme sagte er:" Hütet eure Zunge, Wirt. Worte in Wut und Leichtsinn gesprochen, sind oftmals in Erfüllung gegangen. Das stille Volk hat überall seine Ohren und... es könnte auf Euer Angebot zurückkommen..."
Viele der Leute schlugen nun die Zeichen ihrer Götter um Unheil von sich abzuwenden. Der Wirt jedoch grinste nur höhnisch. "Sagt bloß, Ihr glaubt an diese Märchen mit denen man die Kinder des Abends in die Betten scheucht?" Der Wanderer nickte, ohne die stahlblauen Augen vom Wirt zu lassen. "Ihr tätet besser daran, die Geschichten Eurer Amme ernster zu nehmen."
Das Lächeln des Fremden war nicht zu deuten. "Wißt Ihr, ich bin weit herumgekommen auf Magira. Sehr weit... Und meine Augen haben Dinge geschaut, von denen zu träumen ihr nicht wagen würdet."
Eine unangenehme Stille war entstanden. Die Luft knisterte schier vor mühsahm kontrollierter Aggression.
Eine sanfte Berührung am Oberarm ließ ihn sich vom Wirt abwenden. Scheu hatte das Mädchen ihre kleine Hand auf seinen Arm gelegt und sah ihn nun aus großen, beinahe noch Kinderaugen an. "Bitte Herr, laßt uns diesen unglücklichen Streit vergessen. Erzählt weiter."
Der Mann runzelte die Stirne. "Wo war ich gleich...? Ach ja, der Wanderer des Blutes... Ein merkwürdiger Name, fürwahr. Jedoch der Grund dieses Namens ist ebenso einfach, wie einleuchtend. Seht Ihr, herrscht Frieden in Magira, so hat der Fluß seinen normalen Wasserstand. Überzieht jedoch Krieg die Welt, dann treten seine Fluten über die Ufer. So können die Bewohner Cor Dhais mit einem raschen Blick feststellen, wie es in der Welt steht. Man munkelt, daß die rote Färbung des Wassers vom Blute der Erschlagenen herrührt. Aber wir wollen heute nicht von Krieg und Vernichtung reden.
Wenn ich den Fluß überquert habe, tauche ich ein in eine Welt für sich. Es ist eine Stadt in der Stadt. Ich sehe das Palastgelände des Herren von Cor Dhai. Hier residiert er und seine Freunde. In diesen Hallen wurden rauschende Feste, traumhafte Bälle gefeiert und werden noch ausgerichtet werden. Doch auch für den Ruhe und Entspannung Suchenden gibt es hier Orte der Erholung. Ein Lustgarten lockt zum Spazieren. Klafterhohe, immergrüne Hecken umrahmen ihn, schirmen dem nach Ruhe Heischenden von den Blicken und dem Lärm der Straßen ab. Und ich weiß genau, wenn Aivia meine gute Freundin nicht in ihren Gemächern zu finden ist, jedoch in Cor Dhai weilt, dann befindet sie sich meist in diesem kleinen Paradies.
Oft saßen wir hier beisammen, erzählten uns Geschichten und Märchen die wir auf unseren Fahrten sammelten oder gar selbst erlebten. Denn ebenso wie ich, ist auch sie ein unsteter Geist den es nur selten lange an einem Orte hält. Auch sie ist ihm rettungslos verfallen... dem Lockruf Magiras.."
Der Fremde schwieg einen Augenblick, gefangen in einer vielleicht süßen Erinnerung...
Erst das zweite vernehmliche Räuspern des alten Bauern riß ihn aus seiner Träumerei. Während der Erzähler sich eine Pfeife stopfte, die er aus einem abgewetzten Beutel zu Tage gefördert hatte, fuhr er fort zu berichten.
"Wenn Suki zugegen ist, dann ist das Heimkommen doppelt schön. Ach, Ihr solltet es fühlen, wenn die feinen und doch kräftigen Hände dieses Mädchens, aus dem fernen Ao-Lai, mit kundigen Griffen die verspannten Muskeln wieder weichkneten und sie sanft den Schmerz nach eines langen Tages Ritt hinwegstreicheln... Aber, ich fürchte, ich schweife wieder einmal ab... doch... würdet Ihr gesehen und gefühlt haben, was ich in dieser Stadt erlebte, Ihr würdet mich und meine grenzenlose Liebe besser verstehen... Und wenn die Sonne im Osten langsam hinter dem Horizont versinkt, verzaubert sie Cor Dhai mit ihrem glutrotem Feuer.
Nun wird es Zeit die Gemächer des Prinzen aufzusuchen. Weite, lichte und große Räume tuen sich dem willkommenen Besucher auf. Nicht allzu luxuriös, doch von einer gewissen, unaufdringlichen Eleganz. Nur selten trifft man Arkan e´dhelcú, den Prinzen der Stadt in seinen Zimmern an. Denn lange schon hat er sein Herz an die grausamste Geliebte verloren, die je existierte: Magira.
An dieser Stelle möchte abschließen mit meiner Erzählung, ihr guten Leute."
Noch einmal sog er an seiner langstieligen Pfeife bevor er sie über dem Kamin ausschlug. Er nahm seinen Becher zur Hand, blickte auf den Rest Bieres, als enthalte die Flüssigkeit die letztendliche Weisheit der Welt. Dann schaute er entschlossen auf. Er schenkte dem Mädchen, das immer noch neben ihm saß, ein liebevolles Lächeln. "Dein Kind wird in vier Monaten gesund und kräftig seine erste Herausforderung der Welt entgegenschreien. Ich werde zugegen sein um die Patenschaft für Deinen Sohn zu übernehmen. Er wird unstet sein, gleich einem wandernden Adler. Aus dem Grunde sollst Du ihn Ran Tharon nennen. Doch, arbeite nicht mehr in der Schenke. Mädchen, nimm diesen Stein. Sein Erlös wird viele Jahre für Dich und Dein Kind sorgen."
Er nestelte an seinem Hals und überreichte ihr einen daumennagelgroßen Diamanten, welcher an einer goldenen Kette befestigt war. Das gierige Funkeln in den Augen der Bauern entging ihm nicht. Doch einen Blick übersah er. Gierig, nein, eher forschend und neugierig ruhte er nicht auf dem Kleinod, sondern musterte den Mann selber. Scharfe Augen, verborgen unter einer braunen Kapuze, die das Gesicht in Schatten tauchte, schienen sich schier in die kleine Gestalt zu bohren.
Streng wandte sich der Wanderer an die Bauern. "Das Schmuckstück gehört der Maid. Ich warne euch. In vier Monaten werde ich wieder hier einkehren. Und gnade Euch Eueren Göttern wenn mir zu Ohren kommen sollte daß Ihr sie bestohlen habt."
Er entnahm seinem Beutel einige Münzen und warf sie dem Wirt auf die Theke. "Nehmt, dies sollte für die Zeche reichen." Er sah prüfend aus dem Fenster, während er seinen Umhang fester um sich zog. "Vollmond," murmelte er, "eine gute Zeit zu reisen..."
Sein Mantel rauschte als er sich erhob und zur Pforte ging. "Lebt wohl ihr Leute. Habt Dank, daß ich mich an eurem Feuer wärmen durfte."
Als er gerade in der Türe stand rief der alte Bauer: "He, guter Mann. wartet einen Moment. Wie ist Euer Name?"
Langsam drehte sich der Angerufene noch einmal um, zu den Menschen in der Schenke. Der Schalk blitzte aus seinen Augen, als er lächelnd in die Runde sah.
"Mein Name...," er ließ die Worte wie einen Schluck süßen Mets auf der Zunge zergehen. "Mein Name ist Arkan, Arkan E´dhelcu, Prinz des Hügels, Stadtherr Cor Dhais! Der schönsten Stadt des stillen Volkes..!!"
Becher fielen zu Boden und Stühle wurden umgeworfen als die Bauern aufsprangen und zur Türe hetzten. Aber schon war Arkan in einem urplötzlich aufwallendem Nebel verschwunden. Nur leise noch vernahm man das spöttische Lachen des Prinzen. Alle Augenpaare wanderten nun zu dem Mädchen, das lächelnd, voller Zärtlichkeit, über die leichte Rundung ihres Leibes strich. Sie wußte, daß ihr Sohn, bevor er überhaupt geboren wurde, einen guten Paten gefunden hatte.
Aus der hintersten Ecke, fast verborgen durch die zuckenden Schatten des ersterbenden Kaminfeuers, erhob sich ein Mann, angetan in einer braunen Robe, welche auch schon einmal bessere Tage gesehen haben mochte, ließ einige Geldstücke zurück und strebte dem Ausgang zu.
"Das nächste Mal," so sprach er bei sich, "das nächste Mal sollte ich den Nebel vielleicht blau einfärben."
Dann machte er sich lautlos an die Verfolgung des Mannes aus dem stillem Volke.
Wanderer, kommst Du nach Cor Dhai
Arkan e'dhelcú
Eberhard "Ebus" Schramm