Der Zaubertrick

 

Das ganze Dorf hatte sich an der alten Eiche inmitten des Marktplatzes zusammengefunden. Mit vor Staunen offenen Mündern verfolgten sie die Zauberdarbietung von "Scorror dem Wunderbaren".
"Herr Bürgermeister!", sagte der gerade, "Ich frage mich, ob es wirklich nötig ist, all Euren Reichtum immer mit Euch herumzuschleppen?"
"Aber...", wehrte dieser verdutzt ab, "ich hab' doch noch nicht einmal meine Börse dabei...." protestierte er. "Eure Börse nicht," lachte Scorror, "...doch will es mir scheinen, im Verbergen von güldnen Münzen seid Ihr ein noch größerer Meister als ich es bin. Seht, selbst in Eurer Nase und Euren Ohren versteckt Ihr die Goldfüchslein!"
Unter dem vergnügtem Johlen der Zuschauer griff er dem Mann an die Nase, und klingende Geldstücke purzelten munter in seine linke Hand. Auch aus den beeindruckenden Lauschern des Dorfvorstandes ließ er blitzende Münzen regnen.
Das einfache Publikum bog sich schier vor Lachen. Und auch der ehrenwerte Bürgermeister hatte keine andere Wahl als lauthals in das Gelächter mit einzustimmen. So folgte ein magischer Trick dem anderen und die Zeit verging wie im Fluge. Scorror wußte nun, daß er sein Publikum in den Bann gezogen hatte. Diesmal würde gewiß mehr bei seiner Arbeit herauskommen, als nur ein Lager für die Nacht und ein warmes Abendbrot. Bestimmt hatten die guten Leute noch ein paar Kupfermünzen für ihn übrig.
Er warf eine sorgfältig angerührte, wenn auch harmlose Mischung verschiedener Pulver und Kräuter in das dafür
bereitstehende Kohlebecken. Über einer blauroten Stichflamme stieg ein weißer Rauchpilz in die Höhe, als der Magier nun die Hauptattraktion und das Finale seiner Vorführung ankündigte.
"Ich...", begann er und bemühte sich seiner Stimme etwas sehr geheimnisvolles zu geben, "Ich, der große Scorror werde jetzt vor Euren werten Augen einen Menschen, ja einen ganzen Menschen verschwinden lassen und ihn wieder zurück ans Licht Magiras bringen. Dazu benötige ich einen mutigen Freiwilligen aus eurer Gemeinschaft... Wenn ich vielleicht die reizende junge Tochter des Schmiedes zu mir auf meine bescheidene Bühne bitten dürfte?" Unter dem Gekicher ihrer kleinen Freundinnen wurde die schamrote 8-jährige zu Scorror auf das hölzerne Plateau geschoben.
"Einen Applaus, für die mutige junge Dame!", beschwor der Zauberer sein Publikum.
Mit einer theatralischen Geste zog der Mann ein Tuch aus rotem Samt von einer mannsgroßen Kiste, welche bis dahin unbeachtet im Hintergrund gestanden hatte.
"Diese magische Truhe wurde mir von dem mächtigen Zauberer Gubar aus dem fernen Reiche Gybal Sham überlassen. Sie ist wahrlich einzigartig in dieser Welt!"
Langsam öffnete er die Kiste und nahm das schüchterne Kind bei der Hand. Dann führte er das Mädchen durch die geöffnete Tür und verschloß diese vorsichtig hinter der Schmiedstochter. Aus seinem weiten wallenden Umhang förderte er einen glitzernden Stab hervor und begann eine magische Beschwörung. (jedenfalls was er und seine einfachen Zuschauer dafür hielten.)
"Oh Ihr Mächte der Illusion und des Trugbildes, bei der flimmernden Luft über hitzeglühendem Sand der ewigen Wüste..ich befehle Euch, tut Euer Werk!"
Ein unbemerkter Tritt von ihm auf den geheimen Hebel der Truhe, und er wußte: die Spiegel im Innern des Kastens würden ihr Übriges tun und das Kind vor den Blicken des Publikums verbergen. Schwungvoll riß er die Türe auf und präsentierte der staunenden Menge eine leere Kiste. Das Kind schien wirklich dieser Welt entschwunden.
Sodann verschloß er sie wieder mit den Worten: "Und nun werde ich die Kleine wieder zurück in unsere Mitte bringen..."

Die beiden Hügelvölkler hatten es sich in ihrem kühlen Versteck nahe des Hünengrabes bequem gemacht.
Gerade taten sie sich an ihrem mitgebrachtem Wein und den süßen Waffeln gütlich. "Hey", juchzte Shera und schlug sich vor Vergnügen die Hand auf den Schenkel, "...das konnte man gestern wirklich einen sehr lustigen Tag nennen. Hast Du sein dummes Gesicht bemerkt, als er seine Zaubertruhe öffnete und kein Kind zum Vorschein kam? Es war einfach köstlich..."
Nean grinste und seine dunklen Augen blitzten schalkhaft.
"Viel spassiger allerdings fand ich sein Gesicht, als man ihn heute morgen zum Richtplatz führte!"
"Meinst du, sie wird sich zurechtfinden?" fragte Shera, die neben ihr schlafende Gestalt des Mädchens ansehend.
"Sie wird es gut haben in Cor Dhai.", beruhigte sie der Thuach na Moch. "So wie alle..!"

ENDE

 

Der Zaubertrick
Arkan e´dhelcú
Eberhard Schramm

 

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Stand:30.09.2010